Im Labyrinth der Abwehr
als fünften hinrichtet?"
„Sollen sie."
„Ein schönes Geschenk für den Führer. Der Neffe Willi Schwarzkopfs legt freiwillig den Kopf auf den Richtblock."
Heinrich schaute Johann unverwandt in die Augen. „Wenn diese Burschen nicht aus Feigheit abgelehnt haben, den Henker zu spielen, sondern aus Mut, so schwöre ich dir: Entweder ich helfe ihnen aus dem Gefängnis, oder ich leiste ihnen Gesellschaft."
„Wir werden ja sehen", sagte Johann spöttisch.
51
Die Informationen, die Johann über Heinrichs Leben in Berlin gesammelt hatte, enthielten nichts Anziehendes. Heinrich gab sich einem ausschweifenden Leben hin, was seinem Onkel anfangs völlig recht war. Als er jedoch durch unvorsichtige Äußerungen die Karriere seines Onkels zu gefährden begann, schickte er ihn einfach zu einer SS-Einheit ins Baltikum. Dort machte Heinrich in einem Lager Professor Goldblatt ausfindig und bat den Reichskommissar Lose, diesen begabten Wissenschaftler freizulassen.
Der Reichskommissar empfing Heinrich in seinem Wohnsitz und sagte belehrend:
„Das jüdische Volk wird ausgerottet, das weiß jedes einfache Parteimitglied. Und doch kommen manchmal Deutsche zu mir, solche wie Sie, und jeder hat seinen anständigen Juden. Natürlich, alle anderen Juden sind Schweine, nur dieser eine nicht. Ich glaube diesen Leuten, und ich bemühe mich zu helfen, in den Grenzen meiner Möglichkeiten."
„Das heißt also, daß ich sicher sein kann?"
„Völlig." Der Reichskommissar gab Heinrich die Hand und begleitete ihn ehrerbietig bis zur Tür.
Als Heinrich am anderen Tag ins Lager kam, teilte man ihm mit, daß Goldblatt in der Nacht auf Befehl Loses hingerichtet worden sei.
Lose lehnte es ab, Heinrich noch einmal zu empfangen, und als dieser ihn anrief, sagte er spöttisch:
„Ja, ich hatte Ihnen meine Hilfe versprochen. Und ich habe mein Versprechen erfüllt: Ich habe einem Arier geholfen, sich von der schändlichen Fürsorge um einen Juden zu befreien."
Heinrich erging sich in so schrecklichen Drohungen, daß Lose nichts anderes übrigblieb, als entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Am selben Abend wurde Heinrich vom Dach des benachbarten Gebäudes von einem Scharfschützen beschossen. Die Kugel traf ihn ins Knie. Und Lose, ein kluger Mann, schlug Heinrich zur Auszeichnung vor, angeblich dafür, daß er an der Liquidierung einer Partisanengruppe teilgenommen hatte, und als es die Gesundheit des Verwundeten erlaubte, schickte er ihn mit dem Sanitätsflugzeug zurück nach Berlin. Den Auftrag, den Stab „Vally" einer Revision zu unterziehen, hatte ihm sein Onkel, Willi Schwarzkopf, verschafft.
Nach langen Zweifeln war Johann zu einem bestimmten Schluß gekommen. Er sah in Heinrich einen irregeleiteten Deutschen, dessen Geist zwar angeschlagen, aber vom Faschismus noch nicht völlig verkrüppelt war. Er hatte Mitleid mit ihm und ein gewisses Maß an Verständnis, aber seine größte Aufgabe sah er darin, aus Heinrich einen Kampfgenossen zu machen, ihn zu überzeugen, daß es eine gerechte Sache gab, für die zu kämpfen es sich lohnte.
Zur Vorbereitung der Aktion sollte ein Mann aus Subows Gruppe, der Pole Jaroslaw, ein Mitglied jener Gruppe polnischer Patrioten ausfindig machen, in die Duszkiewicz eingedrungen war, und die von Weiß gesicherten Unterlagen übergeben. Man mußte die Leute davon überzeugen, daß der Überfall auf Heinrich Schwarzkopf von der deutschen Spionageabwehr provoziert war und als Vorwand für neue Repressalien dienen sollte.
Johann hielt es nicht für notwendig, Subow mitzuteilen, daß er die ganze Zeit an der Seite Heinrich Schwarzkopfs bleiben würde. Und wenn es Jaroslaw nicht gelingen sollte, seine Aufgabe zu erfüllen, und der Anschlag dennoch stattfinden würde, so würde Johann versuchen, Heinrich um jeden Preis zu retten.
Er hatte Subow deshalb nichts gesagt, weil er ihn jetzt, vor dem Unternehmen, nicht mit unnützen Sorgen belasten wollte.
Johann erschien lange vor der verabredeten Zeit bei Heinrich. Er wurde mit betonter Unfreundlichkeit empfangen.
„Was willst du?" brummte Heinrich.
„Ich habe Sehnsucht nach dir bekommen." Und indem er einen Blick auf den Imbiß auf dem Tisch, auf den in versteinerter Pose dasitzenden Oberst von Salz und auf Angelika Bucher warf, fragte er: „Kann ich bei dir essen? Ich bin den ganzen Tag auf den Beinen, ich habe einen schrecklichen Hunger."
Johann begriff, wie wenig wünschenswert seine Anwesenheit in diesem Zimmer war. Er tat so, als sehe er die
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