Im Labyrinth der Abwehr
hinzu, könne Heinrich daran sehen, daß ihm sein Onkel die Bitte des Brigadeführers der SS, General Schellenbergs, übermittelt habe, unter den jüngeren Offizieren der Abwehr einen bescheidenen und fähigen Mann für persönliche Aufträge ausfindig zu machen.
Heinrich fragte:
„Und wen haben Sie im Auge?"
„Ich denke, daß die Antwort auf diese Frage dem Brigadeführer zukommt."
„Eine Kandidatur Johann Weiß' könnte von Ihrem Scharfsinn zeugen. Auch davon, daß der Mann, der mir das Leben gerettet hat, von Ihnen belohnt wird. Unter diesen Umständen könnte ich die Erinnerung an einen gewissen traurigen Vorfall für immer begraben."
Diese freche Hartnäckigkeit reizte Landsdorf.
„Ich brauche Ihre Ratschläge nicht, geschweige denn solche, die mit Drohungen verbunden sind."
„Wieso, ich fühle mich nur diesem Weiß verpflichtet! Oder haben Sie die Absicht, dem Herrn Brigadeführer Dietrich zu empfehlen?" Heinrich kehrte ins Hotel zurück, nahm vor dem auf dem Bett liegenden Johann in großartiger Pose Aufstellung und erklärte munter:
„Ich gebe dir den dienstlichen Befehl, mit mir in den nächsten Tagen nach Berlin zu fahren. Du wirst bei Schellenberg arbeiten. Vor dem zittert sogar Willi Schwarzkopf. Er ist einer der gefährlichsten Leute im Reich ..."
54
Auf dem Flugplatz wurden bei allen die Papiere geprüft. Als Weiß seinen Ausweis vorzeigte, schaute der diensthabende SS-Mann in eine Liste und übergab den Ausweis einem jungen Mann in Zivil. Dieser steckte ihn ein und sagte unvermittelt:
„Folgen Sie mir!"
Weiß schaute sich um.
Heinrich verstand diesen Blick.
„Wir sehen uns später”, sagte er und ging durch das Drehkreuz ab.
In der Kommandantur übergab der junge Mann den Ausweis einem anderen, Diensthöheren, mit großer Glatze und ebenfalls in Zivil. Der Glatzköpfige schaute in den Ausweis, verglich das Foto mit Johanns Gesicht und steckte den Ausweis in die Brusttasche. Er nickte, und sie gingen auf den Parkplatz hinaus.
„Wagen Nummer siebzehnzwounddreißig", sagte er und ging solange hinter Weiß her, bis sie den Wagen mit dieser Nummer entdeckt hatten.
Johann streckte die Hand nach dem Wagenschlag aus, doch die Tür ging von selbst auf, ein untersetzter Mann stieg aus und sagte: „Steigen Sie ein!"
Im Wagen saß noch jemand. Ein kleiner Mann, der dem Chauffeur augenblicklich befahl:
„Abfahren!"
Johann saß eingequetscht zwischen seinen Reisegefährten, die sich nicht allzusehr um seine Bequemlichkeit kümmerten. Von Karten, Bildbänden, Filmen kannte Johann Berlin, und es machte ihm wenig Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Augenblicklich fuhren sie in Richtung Westen, er vermutete, in den Bezirk Wannsee.
In der Bismarckstraße, einer in Grün gebetteten Villenstraße, ließ der Wagen ein kurzes Signal ertönen, bog in das sich öffnende Tor ein. Vor ihnen lag eine einstöckige Villa. In der Tiefe des Grundstücks zwischen Fliederbüschen waren noch zwei solcher Villen zu sehen.
Johann stieg aus und sagte:
„Kein schlechtes Plätzchen! Wie heißt das hier?"
Doch statt einer Antwort sagte der Kleine: „Gehen wir!", stieß eine weiße Tür auf, zeigte auf einen Sessel in der Eingangshalle und bat: „Nehmen Sie Platz!"
Einige Zeit später kam er in Begleitung eines zerbrechlichen, weißhaarigen Alten mit schlaffem, welkem Gesicht wieder. Dieses Gesicht kam Weiß merkwürdig bekannt vor, doch der Alte ließ ihm keine Zeit zum Nachdenken. Er nahm von dem Kleinen den Ausweis entgegen, verglich die Fotografie mit dem Original und steckte ihn ein.
„Gehen wir nach oben. Dort ist Ihr Zimmer."
Das Zimmer war klein, einfach, aber bequem möbliert. An den Fenstern hingen schneeweiße Mullgardinen.
Der Alte sagte:
„Sie können mich Franz nennen."
Johann stellte sich vor:
„Johann Weiß."
„Nein, nicht Johann Weiß. Sie heißen jetzt Peter Kraus. Merken Sie sich: Peter Kraus." Und er befahl: „Sie nehmen jetzt ein Bad."
„Ich würde gern erst meinen Koffer holen."
„Sie erhalten alles aus unserer Garderobe."
Als er aus dem Bad in sein Zimmer kam, war seine Uniform nicht mehr da. Auf einem Bügel hing ein Zivilanzug, ein dunkelgrauer Zweireiher mit Streifen.
Alles übrige lag im Koffer, doch nicht in dem Lederkoffer, mit dem Johann nach Berlin gekommen war, sondern in einem anderen, einem Kunstlederkoffer. Jemand hatte seine eigenen Sachen durch andere ersetzt.
Ein Zimmermädchen mit unbewegtem Gesicht brachte ein Tablett herein, und sofort
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