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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wadim Koshewnikow
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verleben. Stellen Sie sich vor, daß wir jetzt irgendwo am Ladoga-See angeln."
    „Das wäre zu schön", sagte Weiß seufzend.
    „Meine Frau und meine Tochter finden auch, daß das nicht übel ist."
    „Woher können Sie das wissen?"
    „Entschuldigen Sie, ich bin ein Familienmensch, und diese Tatsache festigt meinen Ruf hier."
    „Sind Sie mit einer Deutschen verheiratet?"
    „Was denken Sie, mein Lieber. Meine Karriere als Familienvater habe ich bereits an der Arbeiterfakultät begonnen."
    „Und Ihre Frau und Tochter wissen ...?"
    „Unbedingt", sagte der Professor lächelnd. „Meine Frau ist Ingenieurin in einem Geheimwerk von Junkers und meine Tochter ist Wehrmachtshelferin."
    „Haben Sie nicht Angst um sie?"
    „Tja, sehen Sie. Wir sind im gleichen Jahr, sogar im gleichen Monat in die Partei eingetreten. Und sie ist der Auffassung, daß ich keine Vorrechte wegen längerer Parteizugehörigkeit habe. So hat sie auch die Tochter erzogen. Ich denke, daß das Zentrum mir diese Familienwirtschaft in der Arbeit ausnahmsweise erlaubt."
    „Das eigene Leben riskieren", sagte Johann, „das ist nicht so schlimm ... Aber das Leben derjenigen riskieren, die man liebt, dazu hätte ich nicht den Mut ..."
    „Ich habe ihn auch nicht", bekannte der Professor. „Doch dafür haben meine Frau und meine Tochter mehr als genug davon. Wir helfen einander, unsere Pflicht zu erfüllen."
    Weiß schaute den Professor an.
    „Sind Sie schon lange Tschekist?"
    „Schon viele Jahre."
    „Und sind Sie wirklich Arzt?"
    „Das ist mein zweites Diplom. Das erste habe ich 193o bekommen als Historiker. Die Neigung zur Medizin habe ich später entdeckt; ich habe in München studiert." Nach einer Pause fügte er hinzu: „Ich habe Ihnen von meiner Familie erzählt und damit die Regeln der Konspiration gebrochen. Aber ich habe es absichtlich getan.
    Das Bewußtsein, daß die geringste Nachlässigkeit von mir den Tod der mir Nächststehenden nach sich ziehen kann, spornt mich zu höchster Vorsicht an. Indem ich Ihnen von meiner Familie erzählt habe, habe ich Ihnen gleichsam ihr Schicksal anvertraut. Ich weiß, daß Sie ein wenig zu eigenmächtigen Handlungen neigen."
    Hugo Lemberg lud Johann wieder zu sich ein und empfing ihn abermals im Arbeitszimmer seines Vaters. Johann bemerkte, daß die Zeitschriften und Bücher über die Sowjetunion von den Regalen verschwunden waren.
    Diesmal war Hugo offener. Er sprach von der tragischen Lage Deutschlands. Er sagte, daß nach Angaben der Abwehr der Sättigungsgrad der sowjetischen Truppen an technischem Material im Vergleich zum Herbst 1942 um das Fünf- bis Sechsfache gewachsen sei, entsprechend natürlich auch die Kampferfahrung, und Deutschland den Krieg mit militärischen Mitteln nicht mehr gewinnen könne.
    „Und welche Mittel sind erforderlich?"
    „In den USA gibt es eine starke, Roosevelt feindliche Gruppe, die daran interessiert ist, das Kriegspotential Deutschlands als Drohung gegen Rußland zu erhalten. Aber diese Gruppe ist machtlos gegen den Haß der Amerikaner auf Hitler."
    „Und in England?"
    „1938 hat Churchill erklärt, daß er davon träume, an der Spitze Englands einen Führer von der Energie und Willenskraft Hitlers zu sehen. Jetzt aber fürchtet er das englische Volk und ist gezwungen, die Bestrebungen der englischen Faschistenführer zu zügeln."
    „Und was sind Rußlands Absichten?"
    „Stalin hat gesagt, daß die Aufgabe der Sowjetunion nicht die Vernichtung Deutschlands, sondern des verbrecherischen Hitlerregimes sei. Nach einzelnen Mißerfolgen an der Front hat der Führer viele unserer namhaften Heerführer ihres Postens enthoben und ihnen damit gleichsam die Schuld für das Scheitern des Feldzuges gegeben. Wenn wir eine Niederlage erleiden, so kann nur eine Militärdiktatur aus eben diesen Heerführern eine revolutionäre Erhebung unterbinden. Aus Angaben des SD ergibt sich, daß sich augenblicklich nur fünfzig bis sechzig Prozent der Bevölkerung in Deutschland widerspruchslos der Regierung fügen. Dreißig Prozent sind mit dem gegenwärtigen Regime unzufrieden, bilden jedoch keine Gefahr. Die übrigen sind nicht zuverlässig. Sie werden schubweise an die Front geschickt. Es ist möglich, daß die Truppen der Alliierten eine Polizeifunktion zur Unterdrückung der Unzufriedenen übernehmen, doch zu' diesem Zweck müssen sie nach Deutschland kommen, und zwar nicht als unser geschwächter Gegner."
    Weiß fragte:
    „Und damit ihnen ihre Kampfkraft erhalten bleibt,

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