Im Labyrinth der Abwehr
schlecht. Und doch behauptet er sich ..." Plötzlich verfinsterte sich sein Gesicht und nahm einen harten Ausdruck an: „Also du beschäftigst dich jetzt mit politischer Spionage?"
„Damit ein für allemal Klarheit herrscht", sagte Weiß streng, „ich bin über Ihre Aufgabe informiert. Die meine fällt mit der Ihren nicht zusammen. Mit Rücksicht auf unser ehemaliges gutes Verhältnis sehe ich es als meine Pflicht an, Ihnen Neutralität vorzuschlagen."
„Neutralität? Ach, wie gnädig!"
„Das genügt, damit unsere Leute Sie nicht zufällig umlegen”, sagte Weiß sachlich.
Steinglitz' Gesicht wurde grau.
„Also hat mir Himmler die alte Geschichte in England nicht verziehen ..."
„Offenbar. Canaris hat Sie damals unter Ausnutzung seiner Freundschaft mit Heydrich gerettet. Was Himmler betrifft, so verspürt er für Canaris nicht eine Spur von Sympathie."
„Ja", sagte Steinglitz, „ihm macht es nichts aus, mich umzulegen." „Und wie wäre es, wenn Sie seinen Mitarbeiter unterstützen würden und der Mitarbeiter nicht vergessen würde, Sie in seinem Bericht zu erwähnen?"
Steinglitz zögerte eine Weile, dann sagte er langsam:
„Die Engländer erinnern sich daran, welchen Dienst ihnen Canaris erwiesen hat, als sie sich nach Dünkirchen in einer katastrophalen Lage befanden: Er hat in einem Bericht an den Führer die Verteidigungsbereitschaft Englands unglaublich erhöht, die Kräfte der Russen dagegen entsprechend verringert. Sie sind ihm dankbar dafür. Außerdem unterstützt auch ein Teil der Generäle den Admiral."
„Hören Sie", sagte Weiß. „Die Zeiten haben sich geändert. Jetzt erschießt man Sie, wenn Sie gegen England oder die USA arbeiten." „Und was schlägst du vor?" fragte Steinglitz niedergeschlagen. „Ich habe es bereits gesagt: meine Neutralität gegen Ihre Gefälligkeit."
„Das ist ein ungleicher Preis."
„Hier herrscht die gleiche Ungleichheit wie zwischen meinem Reichsführer und Ihrem Admiral ... Nun, wie ist es?"
„Hör zu. Was aber ist, wenn ich Befehl habe, so einen wie dich, sobald ich ihn treffe, zu beseitigen ...? Du weißt, ich verstehe mich darauf. Aber wie du siehst, habe ich nichts dergleichen getan."
Johann empfand Genugtuung: Also hatte er die ihm drohende Gefahr verhütet.
„Durch unsere Agenten hat Schellenberg von dem Befehl erfahren, den du erhalten hast. Aber ich hatte ihn gebeten, solange keine Maßnahmen zu ergreifen, bis ich mit dir in persönlichen Kontakt getreten bin."
„Und du hast nichts Negatives über mich geäußert?” „Nein."
Steinglitz drückte ihm gerührt die Hand.
Seit dem Tage dieser Begegnung lieferte Steinglitz Weiß gewissenhaft Informationen, die er von jenen Bevollmächtigten Canaris' erhielt, die er vor den Agenten der Gestapo schützen sollte.
Weiß seinerseits schützte den Bevollmächtigten Himmlers vor der vielseitigen Bespitzelung durch die Gestapomänner Müllers, die Leute von der Abwehr und die Agenten Ribbentrops.
Drei Wochen später gehörte Weiß bereits zu einer größeren Gruppe des SD, die dem Oberst Otto Hauptmann unterstellt war.
Eines Tages rief Hauptmann Weiß und zwei andere Mitarbeiter zu sich. Er zeigte ihnen ein Bild von Steinglitz und gab ihnen den Befehl, ihn aufzuspüren und zu beseitigen.
Weiß machte sich auf die Suche nach Steinglitz und erzählte ihm, als er ihn in einer kleinen Gaststätte am Stadtrand traf, welche Gefahr ihm drohe. Steinglitz nahm diese Nachricht mit finsterer Ergebung in sein Schicksal auf.
„Vielleicht ist es besser, wenn ich mich selbst ...?"
„Gibt es keine andere Möglichkeit?"
„Wie denn?" fragte Steinglitz. „In Deutschland suchen sie mich sowieso. Hier sind Tausende von Gestapoagenten. Wenn ich ins Ausland flüchte, melden sie es über Funk und Telegraf ..." Er gab Johann die Hand, verabschiedete sich und sagte: „Danke, daß du es mir gesagt hast."
Steinglitz erschoß sich in derselben Nacht in seinem Hotelzimmer.
Der Grabstein für ihn war schon fertig. Auf ihm stand sein Name, sein Geburts- und Todestag und die Inschrift: „Dem edlen Sohn des Reiches von liebenden und trauernden Landsleuten."
58
Einige Tage später erhielt Weiß den Befehl, nach Deutschland zurückzukehren. Hauptmann beauftragte ihn, Schellenberg persönlich zu übermitteln, daß der Chef geneigt sei, die vorgemerkte Kandidatur zu unterstützen, doch solle die Bekanntgabe des neuen Führers erst bei Landung der Alliierten erfolgen, da sonst regierungsfeindliche Elemente die
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