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Im Labyrinth der Abwehr

Im Labyrinth der Abwehr

Titel: Im Labyrinth der Abwehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wadim Koshewnikow
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entgegen. Steinglitz grüßte und ging mit ihnen davon. Johann führte man zu einer Gemeinschaftsbaracke unweit einer Garage, in der eine Vielzahl von neuen Wagen stand.
    Diese rätselhafte, abgelegene Stellung, die äußerlich an ein Straflager erinnerte, war völlig von der Außenwelt abgeschlossen. Hinter einem Stacheldrahtzaun, der unter Hochspannung stand, hinter einer Reihe eiserner Masten mit Scheinwerfern und einem unsichtbaren Strahlengürtel, der mittels aufflammender Signallämpchen jeden anzeigte, der das Gebäude betrat oder es verließ, waren hier die modernsten technischen Sicherheitsmittel konzentriert.
    Nur die Soldaten der Wacheinheit trugen Uniformen. Ihre Vorgesetzten gingen in Zivil; und nur an dem Maß der Ehrerbietung, das diesen Zivilisten bekundet wurde, war festzustellen, wie hoch der Rang war, den sie bekleideten.
    Diejenigen, die das Recht hatten, mit der Außenwelt zu verkehren, wurden bei ihren Ausfahrten von einigen Streifenposten einer genauen Kontrolle unterzogen.
    Johanns Bewegungsfreiheit war äußerst begrenzt: Sie erstreckte sich auf die Wirtschaftsgebäude und den kopfsteingepflasterten Hof.
    Jedermann hier verhielt sich zurückhaltend und ungesellig. Es kam Johann so vor, als ob er von Taubstummen umgeben wäre. Selbst im Verkehr untereinander nahmen diese an Schweigsamkeit gewöhnten Menschen ihre Zuflucht zu Mimik und Zeichensprache.
    In der Garage hatte Johann einen Stapel blecherner Nummernschilder entdeckt — nach jeder längeren Fahrt wurden die Schilder ausgewechselt. Einigemal sah Johann, wie man fast neue Wagen noch einmal lackierte. Drei Personenwagen hatten kugelsichere Scheiben, bei zwei anderen waren sie so, daß man nicht ins Wageninnere schauen konnte.
    Johann aß in einer Kantine zusammen mit denen, die so wie er nicht das Recht hatten, die Linien der unsichtbaren Grenzen zu übertreten. Auch hier zeigte man keinerlei gegenseitiges Interesse. Einige Mädchen aus den Hilfsdiensten, Mädchen mit .männlich rauhen Umgangsformen, waren so apathisch, daß sie mit ihren runden, gleichgültigen Gesichtern das allgemein trostlose Bild nicht belebten.
    Die Einsamkeit, Untätigkeit, Stumpfsinnigkeit dieses Aufenthalts machten Johann das Leben unerträglich. Er wußte nicht einmal, ob Steinglitz seine Existenz vergessen hatte oder ob er ihn für immer in diese Truppe gesteckt hatte.
13
    An den Wirtschaftstrakt grenzte ein zweigeschossiges Seitengebäude, das hinter hohem Stacheldraht lag. Dreimal am Tag öffnete sich das Tor in diesem Zaun, um Essenkübel, die man aus der Küche brachte, durchzulassen. Sonnabends kam zu den Essenkübeln eine Kiste mit Bier- und Branntweinflaschen hinzu. Und nur ein einziges Mal am Tag — um sechs Uhr morgens — kamen aus diesem Tor sieben Männer in Sporthosen und machten, ganz gleich wie das Wetter war, auf dem Hof gymnastische Übungen.
    Das wiederholte sich sechs Tage lang. Am siebenten, an einem Sonntag, kamen sie nach dem Essen auf den kopfsteingepflasterten Hof und setzten sich auf die neben der Garage hingeworfenen alten Autoreifen.
    Laut Befehl durften sie nichts voneinander wissen, und bei dem Versuch, es zu erfahren, drohte ihnen Bestrafung.
    Wer waren diese Männer? Heimatlose. Sie besaßen keinen Namen, sie hatten keine Vergangenheit. Und sie würden keine Zukunft haben.
    Die Berliner, Münchener, Hamburger Kriminalbeamten kannten sie gut. Manche brauchten ein zweites Leben, um die Strafen für all die Verbrechen abzusitzen, die sie begangen hatten.
    Es gab kein Gesetz, welches ihre Rechte schützte; und es gab kein Land, wo sie das Gesetz nicht verletzt hatten.
    Um mehr über diese Leute zu erfahren, trieb sich Johann am Sonntag in der Garage herum. Er ließ das Tor weit geöffnet. Wenn er sie auch nicht sah, so hörte er sie doch. Zu seiner Verwunderung sprachen sie russisch.
    „Wieviel haben sie dir aufgebrummt?"
    „Mann, ich hab mildernde Umstände bekommen. Vor Gericht hab ich behauptet, ich hätte für die Alte uneigennützige Liebe empfunden. Mord im Affekt ..., aus Eifersucht ..."
    „Weißt du, als Tagelöhner, da ..."
    „Tagelöhner?"
    „Und trotzdem liegt all dem irgendwie ein mystischer Zufall zugrunde ... Zar Nikolai haben sie nach Tobolsk verbannt, ein paar Werst von Pokrowskoje, dem Geburtsort Rasputins. — Ach, Rußland!"
    „Seine arme Majestät!" meldete sich eine kreischende, helle Tenorstimme.
    „Hör auf", erwiderte ruhig der Heisere. „Oder ich hau dir eins in die Visage, daß dich deine

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