Im Labyrinth der Abwehr
Bücher und Vorlesungen überbracht, die Friedrich gern haben wollte.
Während Frau Ditmar den Rottenführer bewirtete und nach ihrem Sohn fragte, suchte Johann die Materialien heraus, legte sie zusammen, verpackte sie sorgfältig und übergab sie dem Boten.
Das Studium der Bücherliste und die Thematik der Vorlesungen bestätigten, daß Friedrich sich keinesfalls zufällig mit Elektrotechnik, Systemen der Funkfernlenkung und automatischer Steuerung befaßte.
Als er über all das nachdachte, hielt es Johann für das zweckmäßigste, alle Sorge für sein Weiterkommen ausschließlich Angelika Bucher zu überlassen.
Angelika willigte ein, ihn zu empfangen, nachdem sie durch Frau Ditmar hatte wissen lassen, daß sie augenblicklich nur über sehr begrenzte Zeit verfüge, da Oberst von Salz ihr eine äußerst wichtige und dringende Arbeit aufgetragen hatte.
Sich in Verbeugungen und Dankesbeteuerungen ergebend, überreichte Johann Angelika eine in der Konditorei in der Adolf-HitlerStraße gekaufte Bonbonniere und bemerkte dabei, wie sein neues Äußeres und seine neuen Umgangsformen das Mädchen beeindruckten.
Oberst Joachim von Salz bedurfte in der letzten Zeit tatsächlich nicht nur der gefühlvollen, sondern auch der rein sachlichen Dienste seiner Sekretärin: Eine Liste von Personen, die man für eine Diversions- und Terrorgruppe ausgewählt hatte und die dazu ausersehen waren, in das Gebiet der UdSSR eingeschleust zu werden, mußte dringend aufgestellt werden.
Die Abwehr hatte bei dem Versuch, am Vortag ihres hinterlistigen Überfalls auf die UdSSR Gruppen der „Fünften Kolonne" zu bilden, ernsthafte Schwierigkeiten erfahren.
Angelika verbarg Johann nicht, wie erfreut sie über seinen Besuch war. Sie war fest entschlossen, Johann in ein für sie nützliches Gespräch zu verwickeln. Vielleicht könnte ihr Weiß — er hatte ja unter der Sowjetmacht in Lettland gelebt — irgendwelche Hinweise geben, die sie dann von Salz vorlegen konnte, dessen Gunst sie sich erhalten wollte, da sie mit dem Oberst ihre weitreichenden Pläne verband.
Auf die nachlässig, gleichsam nur aus einer höflichen Neugier über die Vergangenheit Johanns gestellte Frage Angelikas nach seinen Bekannten und Freunden in Riga, erzählte er begeistert von gemeinsamen Ausflügen mit seinem Freund Heinrich Schwarzkopf.
„Und mit kleinen Mädchen", fügte Angelika so nervös und gereizt hinzu, daß Johann sich entschloß, das Thema zu wechseln.
Wehmütig seufzend sagte er:
„Entschuldigen Sie, Fräulein Angelika. Für jeden Baltendeutschen war es ein schwerer, unwiederbringlicher Verlust des — na ja, wie dem auch sei —, des Vaterlandes."
„Wieso unwiederbringlich? Ich stelle mir die zukünftigen Grenzen des Reiches etwas anders vor als Sie.”
„Oh, ich habe auch anders gedacht. Aber, sehen Sie, der Pakt mit Moskau ... für uns Baltendeutsche brachen damit alle Hoffnungen zusammen." Er flüsterte verlegen: „Ich hoffe doch, daß diese Worte unter uns bleiben?"
„Aber natürlich", versicherte Angelika. Und nachdem sie die Hand auf Johanns Knie gelegt hatte, sagte sie flüsternd: „Ich verstehe Ihre Gefühle." Sie zögerte einen Augenblick, und plötzlich sagte sie energisch: „Johann, wenn Sie mir eine Bootsfahrt in Ihrer Rigaer Bucht vorschlagen sollten, so werde ich gern Ihrer Einladung folgen."
„Was Sie mir da versprechen, sind verlockende Träume ..."
„Mehr kann ich Ihnen vorerst nicht sagen."
„Ja, wenn dieser Pakt nicht wäre ..." Und so, als ob er zu sich selbst spräche, sagte er: „Aber mit Polen hatten wir ja auch einen Vertrag Angelika lächelte.
„Na endlich. Wie schwer von Begriff Sie doch sind! Haben die Bolschewiken in Lettland Sie eigentlich sehr unterdrückt?"
Johann schlug die Augen nieder.
„Wenn man im Umgang mit ihnen vorsichtig war, konnte man Unannehmlichkeiten vermeiden. Aber ...", er erhob sich, „erlauben Sie, es ist Zeit für mich."
Angelika sprang auf und legte ihm beide Hände auf die Schultern. „Bitte, bleiben Sie ...", und vielversprechend fügte sie hinzu: „Sie werden es nicht bereuen."
Johann faßte ihre Worte als Aufforderung auf und versuchte sie zu umarmen. Ärgerlich stieß ihn Angelika zurück, sagte dann aber kokett:
„Mit solchen Methoden lasse ich mich nicht einfangen, Johann. Wenn Sie wirklich mein Vertrauen erringen wollen, dann ..., ja, dann müssen Sie mir einfach alles aus Ihrem Leben erzählen." Sie drückte ihn sanft auf den Stuhl.
Johann glaubte,
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