Im Labyrinth der Abwehr
eigenen Bauern nicht wiedererkennen „Sie kennen mich schon", verkündete drohend der mit der Tenorstimme.
„Na, dann vergiß nicht, deine Taschen aufzuhalten, wenn dir die Deutschen dein Gut zurückgeben."
„Aber, aber, meine Herren", tönte eine befehlsgewohnte Baritonstimme.
„Als ich in Bremen saß, mußten wir in einer Waffenfabrik arbeiten, und bevor man uns zurück in die Zelle brachte, wurden wir jedesmal durchleuchtet. Man sagt, daß sich die Strahlen schädlich auf das Gehirn auswirken."
„Und wozu brauchst du das?"
„Na, hör mal ..."
„Und das erste, meine Herren, was ich mache, ich werde mir eine Portion Kohlsuppe und Fischpasteten bestellen. Aber solche, versteht ihr ..."
„Du friß lieber weniger und setz kein unnützes Fett an. Wir werden mit dem Fallschirm abspringen — da kann man sich die Knochen brechen. Ich kannte da so einen Kerl — renkt der sich plötzlich das Bein aus. Man hat ihn auskuriert — mit einem Pistolenschuß."
„So ein Idiot!"
„Sollte er sich vielleicht in ein sowjetisches Krankenhaus schleppen?"
„Nein, aber du als Chirurg hättest ihn mit dem Messer erledigen können."
„Du bist ein richtiger Fleischer."
„Wozu schon wieder diese Grobheiten", sagte besänftigend der Bariton. „Es wird Frühling, bald ist Ostern."
„Zur Tscheka wird man dich schleppen. Da wirst du deine Ostern feiern."
„Zum NKWD", verbesserte der mit der Tenorstimme. „Seid nicht so rückständig."
„Und dabei habe ich es gepaukt ..."
„Kein Wunder, seit zweiundzwanzig nicht mehr zu Hause."
„Hör auf zu jammern. Du kommst bald genug hin."
Johann kam, den aufgepumpten Reifen in den Händen, aus der Garage, setzte sich in die Nähe der Männer und betrachtete aufmerksam den Reifen, als suche er eine defekte Stelle.
Ein großer Hagerer mit knorpliger Nase fragte, ohne sich umzudrehen, auf russisch: „He, Soldat, hast du was zu rauchen?"
Johann fuhr in seiner Beschäftigung fort.
„Hab keine Angst, er versteht kein bißchen Russisch", sagte der Stämmige. Und auf deutsch fragte er: „He, du, wie spät ist es?"
Johann erwiderte: „Ich habe keine Uhr."
Er stand auf, ging in die Garage und kehrte mit einigen Bogen Schreibpapier und einem Brettchen zurück, das er sich auf die Knie legte.
Den Blick über das Papier gebeugt, fuhr er tief in Gedanken versunken mit dem Bleistift darüber hinweg. Von Zeit zu Zeit schaute er völlig gleichgültig auf diese Männer in buntgewürfelten ausländischen Uniformen.
Am nächsten Sonntag nahm er wieder seinen Platz neben der Garage ein. Dieser nach Hause schreibende deutsche Soldat war ein so gewohnter Anblick, daß keiner der Leute ihm mehr seine Aufmerksamkeit zuwandte. Sie schienen ihn nicht einmal zu bemerken, während sie sich zwanglos unterhielten.
Der Kahlköpfige meinte:
„Wir, Herrschaften, müßten hier Ordnung schaffen."
„Bei den Deutschen?"
„Ich hab die russischen Emigranten im Auge. Die einen hat Hitler begeistert und ihnen Hoffnung gemacht, die anderen, die Proletarier, beginnen sich über das Schicksal ihres Vaterlandes Sorgen zu machen."
„Erledigen sollte man die!" riet der Alte.
„Da wird man nicht umhin können", pflichtete der Kahlköpfige bei. „Ich hab dem Chef diesen und jenen genannt, hab ihm unsere Dienste angeboten, wenn es darum geht, jemand beiseite zu schaffen. Aber leider hat der Chef abgelehnt. Er hat gesagt, daß sich die Gestapo damit befassen wird. Schade!"
Kalte Sonnenstrahlen fielen auf diese von Pflastersteinen gefangengehaltene Erde. Sie fielen auch auf Johann, der aufmerksam über seinen Papieren saß. Geduldig und angestrengt zeichnete er mit gespitztem Bleistift die Porträts dieser Männer. Jeden zweimal, von vorn und im Profil. Er zeichnete mit der Sorgfältigkeit eines Miniaturmalers.
Die Kantine betrat ein taubstummes Ehepaar. Er war stämmig, breitschultrig, hatte schwarzes Haar und ein unbewegliches Gesicht mit groben Zügen. Die Augen hatten einen gespannt-aufmerksamen, menschenscheuen Blick.
Sie hatte blondes, weiches Haar, war schlank, hochgewachsen, nervös, empfänglich für die geringste Aufmerksamkeit.
Dieses Paar gehörte nicht zum Dienstpersonal. Es schien eine Sonderstellung einzunehmen.
Einmal aß ein eben angekommener Unteroffizier in der Kantine ein riesiger, wohlgenährter Bayer. Einen heimlichen Blick auf die Taubstumme werfend, sagte er zu seinem Tischnachbarn:
„Ein vielversprechendes Frauchen, da wäre ich nicht abgeneigt ..."
Der
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