Im Labyrinth der Abwehr
nachlässig wie immer und kaum verständlich:
„In zwei Tagen. Hier. Eine Stunde früher."
Zwei Tage Freiheit — ein großartiges Geschenk von Major Steinglitz an den sowjetischen Kundschafter Alexander Below!
In der Adolf-Hitler-Straße stoppte Weiß den Wagen vor einer luxuriösen Konditorei. Diese Villenstraße, aus der man die Polen ausgesiedelt hatte, war zum Mittelpunkt des deutschen Wohngebietes geworden.
Militär- und Polizeipatrouillen, Sicherheitsbeamte in Zivil wachten sorgsam über die nationale Unantastbarkeit dieses Stadtteils.
Johann kaufte eine große Tüte Pfannkuchen mit Marmeladenfüllung, die Frau Ditmar so liebte, und begab sich zum Ausgang. In diesem Augenblick rief ihn aus dem angrenzenden Cafe eine gutaussehende Blondine an, in der er Eva erkannte. Ihre Einkaufspakete wegräumend, bot sie Weiß den Platz neben sich an.
Johann gab zu verstehen, daß er nicht stören wolle, aber Eva hielt ihn mit einer Bewegung ihrer kleinen fleischigen Hände zurück.
„Oh, ich bin nur hergekommen, um zu naschen. Ich liebe Süßes. Übrigens, sind Sie mit Ihrer neuen Stellung zufrieden?”
„Ja, und ich bin Fräulein Angelika sehr dankbar, daß sie sich um mich gekümmert hat."
„Wieso Angelika?" meinte Eva verwundert. „Ich habe das für Sie arrangiert. Natürlich auf Angelikas Bitten hin. Hat sie Ihnen das nicht gesagt?"
Und zwanglos plaudernd erzählte sie ihm von Angelika. Wie sich herausstellte, war der Sohn Frau Ditmars mit Angelika verlobt gewesen. Obwohl man die Geschichte ihres Falls vor ihm anfangs hatte verbergen können, hatte er, als er von dem Vorgefallenen erfuhr, die Verlobung gelöst. Auf die Universität war er keineswegs deshalb gegangen, weil er vom Faschismus begeistert war. In der Laufbahn eines nazistischen Funktionärs sah er lediglich die bessere Möglichkeit, sich über die Aristokratenfamilie von Salz zu erheben. Doch er hatte sich verrechnet. Die von Salz traten wieder in Aktion. Oberst Joachim wurde sogar Mitglied der nationalsozialistischen Partei. Und offensichtlich seinem Vater folgend, empfand er für Angelika nicht nur „verwandtschaftliche" Gefühle. Deshalb hatte Frau Bucher Angst, der Vater des Obersten könne, wenn er dahinterkäme, Angelika die Schenkungsurkunde entziehen. Außerdem fürchtete sie, Friedrich würde sich, wenn er von den Beziehungen Angelikas erst zu dem General, dann zu seinem Sohn hörte, zu einer unüberlegten Handlung hinreißen lassen. Und so hätten beide Damen beschlossen, in der Person Johanns einen Ausweg aus der komplizierten Lage zu sehen, das heißt, sie hätten ihn als Heiratskandidaten vorgesehen. Was Angelika zu all dem meinte, wäre nicht bekannt.
„Und wenn Friedrich kommt und alles erfährt?" fragte Johann. „Er kommt nicht, und er wird auch nichts erfahren."
„Wieso?"
„Ach, wissen Sie denn nicht? Er ist in Peenemünde; da wird irgend so eine Waffe erfunden. Der kommt vorläufig da nicht raus, sie leben ganz abgeschlossen. Friedrich haben sie dorthin geschickt, weil er schon fast Ingenieur ist und außerdem Nazi. Er ist geradezu ein wahrer Fund für die Gestapo: ein gebildeter Mensch und ihr Geheimagent. Das ist eine Seltenheit. Ich bin sicher, daß er mindestens schon Hauptsturmführer ist. Endlich kann sich Frau Ditmar für eine glückliche Mutter halten."
„Ich freue mich wirklich für Frau Ditmar", sagte Johann freundlich. Er war in der Tat weit mehr als erfreut, als Eva vermuten konnte. Peenemünde ... Das war eine Neuigkeit!
11
Die junge Generation des faschistischen Deutschlands war von frühester Jugend an der nazistischen Beeinflussung unterworfen: erst im Jungvolk, dann in der Hitlerjugend, im Arbeitsdienst und endlich in den „Adolf-Hitler-Schulen", wo besondere Kader für den Partei- und Staatsapparat ausgebildet wurden.
Es war kaum anzunehmen, daß Friedrich Ditmar, der einen solchen Weg durchlaufen hatte, jene Charakterzüge behielt, von denen Frau Ditmar Johann in mütterlicher Liebe und Bewunderung vorschwärmte.
Dennoch begann Johann vage Hoffnungen auf Friedrich zu setzen, als Frau Ditmar erzählte, daß sie in ihren Briefen an den Sohn oft von ihrem netten und fürsorglichen Untermieter berichte. Johann bat Frau Ditmar jedesmal, ihrem Sohn die herzlichsten Grüße zu übermitteln.
Der erste Kontakt zu Friedrich bahnte sich an, als die freudestrahlende Frau Ditmar ihn eines Tages bat, einen Auftrag ihres Sohnes auszuführen. Ein Rottenführer der SS aus Peenemünde hatte ihr eine Liste der
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