Im Labyrinth der Abwehr
war wahrheitsliebend bis zur Taktlosigkeit und in dieser Hinsicht unbarmherzig gegenüber sich und anderen. Wie viele seiner Altersgenossen war er der Ansicht, daß das Leben, so wie er es lebte, mit all seinen Vorzügen und Bequemlichkeiten das Verdienst der revolutionären Heldentaten der älteren Generation war.
Etwa zwei Jahre lang arbeitete Subow in einer Traktorenfabrik. Sein Vorgesetzter, der Brigadier, war ein politischer Emigrant aus Deutschland, mit dem zusammen Subow seine deutschen Schulkenntnisse auffrischte. Aus Freude an seinem begabten Schüler brachte ihm der Brigadier waschechte Berliner Mundart bei und war stolz auf seine schnelle Auffassungsgabe.
Der Vater Subows, der zur Zeit des Bürgerkrieges mit neunzehn Jahren ein ganzes Regiment kommandiert hatte, war Wirtschaftsleiter eines Krankenhauses.
Einberufen in die Rote Armee, wurde Subow zu einem Lehrgang für Grenzposten geschickt. Er diente dann im Rang eines Leutnants an jenem Grenzübergang, den die Schübe deutscher Rücksiedler aus Lettland passierten. Im letzten dieser Transporte hatte sich Johann Weiß befunden.
Der Vorgesetzte hatte im Beisein Brunos Subow zu verstehen gegeben, daß dies ein „besonderer Deutscher" sei, und schon damals an der Grenzübergangsstelle hatte sich Subow sein Gesicht eingeprägt. Im Lazarett hatte er Weiß wiedererkannt.
Im Morgengrauen des Tages, als die Faschisten die Sowjetunion überfielen, hatte Subow bis zur letzten Patrone gekämpft und war erst, als der Grenzstreif en vom Feind schon besetzt war, wieder zu sich gekommen.
Betäubt von seiner Verwundung, in halb besinnungslosem Zustand, kroch Subow in ein Wäldchen, wo sich noch einige verwundete Grenzposten und Sanitäterinnen verbargen. Am Morgen sahen sie auf der Straße zwei Lastwagen, in denen in sauberen, neuen Uniformen sowjetische Infanteristen saßen.
Eine Sanitäterin lief zur Straße und hielt die Wagen an. Doch es waren keine sowjetischen Soldaten. Es war eine Einheit des Regiments „Brandenburg". Der Offizier, der der Sanitäterin freundlich zulächelte, nahm einige Soldaten und begleitete sie zum Wäldchen, wo die Verwundeten lagen, unterhielt sich in aller Ruhe mit ihnen und genoß es sichtlich, so fehlerlos Russisch sprechen zu können. Dann gab er den Befehl, die Verwundeten zu erschießen, aus humanitären Gründen, wie er zu den Sanitäterinnen sagte, um sie von ihren Leiden zu befreien.
Subow wurde nur dadurch gerettet, daß er in einiger Entfernung von der großen Gruppe der Verwundeten lag.
Daß dieser Mord so einfach, ruhig, so nebenbei geschah, drang Subow ins Herz wie eine eisige Nadel, die alles erstarren ließ, was vorher sein natürliches Wesen ausgemacht hatte.
Einige Tage blieb er in dem Wäldchen liegen und sammelte Kräfte. Dann war er stark genug, einen deutschen Soldaten zu töten, der, um seine Notdurft zu verrichten, in die Büsche ging — ein Polizist, der sein Fahrrad am Straßenrand gelassen hatte.
Subow zog dessen Uniform an, schaute sich die Ausweispapiere an, setzte sich aufs Fahrrad und fuhr los, jedoch nicht in Richtung Osten, sondern nach Westen.
Stieß er auf einzelne Deutsche, knüpfte er zwanglos eine Unterhaltung an, vollzog dann unbarmherzig Urteil und Vergeltung. So gingen nicht wenige seiner Gesprächspartner in die andere Welt hinüber, mit Augen, starr vor Erstaunen über den plötzlichen Tod.
Wenn in einem Pkw mehrere Personen saßen, so richtete er es so ein, daß er ehrerbietig grüßte, ihre Papiere prüfte. Doch noch ehe das höfliche Lächeln erlosch, drückte er den Abzug seiner Maschinenpistole.
Einmal entdeckte er einen sowjetischen Flieger, der mit dem Fallschirm aus seiner brennenden Maschine abgesprungen war. Nachdem er dem Flieger dafür, daß er in zehn Jahren so schlecht Deutsch gelernt hatte, Vorwürfe gemacht hatte, zwang er ihn, Sätze, die für den Umgang eines unteren Dienstgrades mit einem höheren notwendig waren, auswendig zu lernen, und steckte ihn in eine deutsche Uniform. Zu zweit schlugen sie sich bis Bialystok durch. Unterwegs stieß noch ein polnischer Partisan zu ihnen.
In der Stadt erkundete Subow zunächst allein. Da er ein ausgezeichneter Billardspieler war, wurde er bald Stammgast im Kasino.
Einmal forderte ihn ein Offizier der Propagandakompanie, Baron von Handenstein, zu einem Spiel auf. Da Subow jedesmal die Gegenpartie gewann, brachte er seinen Partner in eine solche Verwirrung, daß der Einsatz zu einer ungeheuren Summe anwuchs. Mit einem
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