Im Labyrinth der Abwehr
arbeitslos gewesen. Er war in die SS eingetreten, anfangs nur, weil Uniform und Auftreten ihn verlockten. Allmählich war er zu einem besessenen Fanatiker geworden, nicht nur aus Treue zu den Ideen des Führers, sondern weil er in ihm einen Menschen sah, der so wie er aus den unteren Volksschichten hervorgegangen war. Gerlach verband mit dem Führer der Haß auf die Juden.
Gegenüber Dietrich, dem anmaßenden Aristokraten, verhielt er sich mit verborgener Feindseligkeit.
Gerlach zeichnete sich durch ungewöhnlichen Fleiß aus. Mißtrauisch, finster, eigensinnig, vertraute er nicht einmal den nach Rang und Dienstgrad höher Gestellten.
Den sowjetischen Kriegsgefangenen trat er mit viehischem Haß entgegen, er hielt es nicht für möglich, daß diese niederen Kreaturen Deutschland dienen konnten. Deshalb glaubte er auch nicht, daß Phase zuverlässig und glaubwürdig war. Er schloß sich mit seinen Argumenten dem Einspruch Johanns an.
Doch Dietrich blieb bei seinem Standpunkt.
Leiter der Spionageschule war Rittmeister Helmut Gerd, der Schwiegersohn des Fabrikanten Wentling.
Auch er diente, wie Gerlach, mit fanatischer Treue dem Führer, wenn auch aus anderen Erwägungen. Er war Monarchist, bis fünfunddreißig war er gegen Hitler, doch dann sah er in ihm den neuen Kaiser Großdeutschlands, dessen Politik der Firma Wentling eine Monopolstellung unter den Größen der Finanzwelt versprach.
Gerlach wußte, daß Gerd wegen eines Lehrgangsteilnehmers nicht sein Verhältnis zu den Offizieren der Abteilung III-Z belasten wollte und deshalb gezwungen war, dem Drängen Dietrichs nachzugeben. Trotzdem riet er Weiß, seine Phase betreffenden Überlegungen in einem Bericht niederzulegen.
Nach dem Unterricht flüsterte der Lehrgangsteilnehmer Chrjatsch Johann zu, daß er für ihn eine Meldung habe.
Chrjatsch gab sich als Sohn eines ehemaligen Pferdezüchters aus, der in den Jahren des Bürgerkrieges als Adjutant General Gnilorybows gedient hatte. Er behauptete, Kosak zu sein, doch aus seinen Papieren ging hervor, daß er der Sohn eines Orlowsker Polizeioffiziers war. Seine Denunziationen waren so unbedeutend, daß Dietrich anordnete, ihn aus der Liste der Spitzel zu streichen.
Chrjatsch teilte Weiß mit, daß As zu Nagel gesagt habe: „Lieber einen schönen, stolzen Tod für die gute Sache gestorben, als sich das Leben durch eine Gemeinheit retten." Und Nagel hätte dem zugestimmt und gemeint, er werde sich die Sache überlegen.
Weiß sagte überzeugt:
„Ich glaube, daß er die Sache Großdeutschlands dabei im Auge hatte."
Chrjatsch erhob Einspruch:
„Daß ich nicht lache! Er denkt genau das Gegenteil. Und auch mit anderen hat er geflüstert."
„Schon gut", unterbrach ihn Johann, „ich habe verstanden. Wenn du noch was erfährst, mach nur mir persönlich Meldung."
„Zu Befehl!" Chrjatsch legte sein Gesicht in Falten und flüsterte: „Und dann der Intelligenzler, dieser Phase. Er hat gesagt, daß Hitler Befehl gegeben hat, alle Bewohner im besetzten Rußland dürften nur eine Vierklassenschule besuchen. Und er habe jede Impfung verboten, damit die Kinder leichter sterben. Kurz, er hat Pessimismus verbreitet, dieser Phase."
Weiß überlegte, dann befahl er:
„Schreib mir über ihn einen Bericht."
Den Bericht unterschrieb Johann, setzte das Datum darunter und legte ihn in die Mappe für Oberleutnant Gerlach.
Johann wußte, daß Chrjatsch seine Denunziationen nicht nur ihm, sondern auch allen anderen Ausbildern hinterbringen würde, deshalb mußte As so schnell wie möglich aus der Schule entfernt werden.
Johann benutzte dazu die Beschwerde des Versuchslagers, Hauptmann Dietrich habe für seine Spionageschule fast sämtliche Spitzel des Lagers kassiert. Er machte Dietrich den Vorschlag, As ins Lager zurückzuschicken.
Auf die Frage Dietrichs, ob dieser Lehrgangsteilnehmer irgendeinen Wert darstelle, antwortete Weiß nachlässig:
„Psychische Umausgeglichenheit, neigt zu Schwermut. Äußerste physische Erschöpfung. Ist im Lager bestens aufgehoben."
Dietrich unterschrieb den Befehl.
Oberleutnant Gerlach beschloß, Phase einer Prüfung zu unterziehen. Er gab ihm einen Urlaubsschein für die Stadt, dazu eine Pistole mit abgefeiltem Schlagbolzen und Patronen ohne Pulver. Der Unterscharführerin Flink machte er Mitteilung, ein entsprechendes Mädchen startfertig zu machen. Außerdem beauftragte er einen Agenten, die Rolle eines aus dem Lager Entflohenen zu spielen und das Vertrauen des jungen Mannes zu
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