Im Labyrinth der Abwehr
Zulage gibt?"
„Ja. Aber nicht hier."
„Mir kannst du keine Angst machen, du nicht. Ich kenne die sowjetischen Gesetze. Für ein schnelles und offenes Geständnis gibt es Strafermäßigung. Dann werd ich eben im Lager leben, auch dort gibt es Menschen."
„Ach, Enterich, du bist ein schmieriger Kerl."
Man hörte das Rascheln eines Strohsacks. Dann war Stille.
Johann schrieb:
„Der Lehrgangsteilnehmer Nagel drohte dem Lehrgangsteilnehmer Enterich, daß, wenn dieser überlaufen wolle, er ihn erschießen würde. Nagel übt den richtigen erzieherischen Einfluß aus. Es ist anzuraten, beiden gemeinsam einen Auftrag zu geben."
Nach dem Dienst suchte Weiß aus der Kartei die Anschrift Nagels heraus und stellte eine chiffrierte Botschaft zusammen: Er bat, Nagels Frau aufzusuchen und von ihr einen Brief für ihren Mann entgegenzunehmen.
An die Karteikarte Denissows heftete er das gelbe Schildchen: unzuverlässig, an die von Nagel das grüne: zuverlässig. Er machte es nicht für sich, sondern zur Orientierung, genauer, zur Desorientierung seiner Kollegen.
Auf dem Unterrichtsprogramm zur Ausbildung der Agenten stand für diesen Tag das gegenseitige Verhör. Einer der Agenten spielte die Rolle des offiziellen Mitarbeiters der sowjetischen Spionageabwehr, der andere die Rolle des Verdächtigen, der von sowjetischen Truppen im Hinterland festgenommen wurde. Der erste war verpflichtet, dem Verhafteten seine Zugehörigkeit zur deutschen Spion-nage zu beweisen, der zweite, sich zu rechtfertigen und die Beschuldigung von sich abzuwälzen.
Diese „Schauspiele" wurden paarweise an jedem Tisch durchgeführt.
Denissow spielte seine Rolle völlig aufrichtig. In seinen grauen Augen war ein feuchter Schimmer.
„Aber seien Sie doch mal menschlich. Ich war umkreist, bin geflüchtet. Hab meine Dokumente vernichtet. Ach, diese hier? Woher sollte ich wissen, daß sie gefälscht waren. Ich hab mit einem, der auch eingekreist war, die feindlichen Linien durchbrochen. Er ist gefallen. Ich hab ihm seine Papiere aus der Tasche genommen, um sie bei den Behörden abzugeben, wie es sich gehört. Ja, und dann bin ich auf eine Streife gestoßen. Die verlangten die Papiere. Da hab ich sie ihnen gegeben. Wenn ich gewußt hätte, daß er ein Spion war, hätte ich ihn gleich selber umgelegt. Er hat sich an mich gehängt, der Halunke. Ich bin doch kein Polizeispitzel, woher soll ich wissen, was das für einer war. Warum ich mich hier in der Nähe der Eisenbahn rumtreibe? Ich wollte mit dem Zug fahren. Wohin? Zur nächsten größeren Siedlung, wo es eine Abteilung des NKWD gibt. Meldung machen. Die Beamten haben Erfahrung mit Spionen. Sie können doch unterscheiden, welcher echt ist und welcher nicht."
Johann trat an einen anderen Tisch.
Nagel spielte den Untersuchungsführenden mit Begeisterung, er schrie den älteren, gesetzten Fischka heftig an:
„Du, Halunke, einmal hast du an die Deutschen schon die Ukraine verraten, und jetzt verrätst du sie ihnen wieder mit allem Drum und Dran!"
„Bürger Untersuchungsrichter, Sie haben keine Beweise."
„Und die Waffe? Hat man bei dir keine Waffe gefunden? Du hast Sowjetbürger getötet, du Parasit!"
„Die Waffe habe ich zur Selbstverteidigung getragen."
„Aus der Armee bist du desertiert?"
„Ich bin Baptist."
„Dein Gott hat kein Kreuz, sondern ein Hakenkreuz. Du hast zusammen mit anderen einen Zug in die Luft gesprengt?"
„Das ist eine falsche Information!"
„Du hast selber damit geprahlt!"
„Vor wem?"
„Vor mir."
„Wo? Wann?"
„Neulich in der Baracke. Was zwinkerst du?"
Weiß unterbrach die beiden und sagte streng:
„Lehrgangsteilnehmer Nagel, Sie dürfen nur von den mutmaßlichen Beweisen Gebrauch machen, die Sie bei der Festnahme erhalten haben ..." Zu Fischka gewandt, bemerkte er: „Im übrigen beachten Sie, daß die sowjetischen Organe bei der Verhaftung alle Ihre Vergangenheit betreffenden Unterlagen anfordern können. Deshalb schließen Sie nicht die Möglichkeit solcher Fragen aus. Und damit das Training fruchtbar wird, legen Sie dem Lehrgangsteilnehmer Nagel wenigstens begründete Fakten vor, solche, die gegen Sie zeugen, damit Sie dann, wenn er sie gegen Sie vorbringt, Gegenargumente finden können."
Fischka wurde lebhaft, holte tief Atem und zählte Nagel seine bisherigen Taten auf.
Nagels Gesicht nahm einen grauen, angespannten Ausdruck an, seine Augen leuchteten bösartig.
Weiß, der mit dem Rücken zu Fischka stand, hörte sich aufmerksam die
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