Im Labyrinth der Abwehr
erwerben. Nachdem er alles, so gründlich vorbereitet hatte, wartete er ungeduldig auf die Ergebnisse.
Doch das Ergebnis dieser Überprüfung erwies sich für die gesamte Schulleitung als katastrophal.
Auf der Chaussee fand man einen entwaffneten Motorradfahrer mit eingeschlagenem Schädel. Dieser Motorradfahrer hatte Phase nach Warschau bringen sollen. Phase selbst war verschwunden. Verschwunden war auch der Funkcode. Zweifellos hatte ihn Phase gestohlen, da er annahm, daß man ihn nicht nur zum Unterricht benutzte.
Aus Berlin traf eine Untersuchungskommission ein. Weiß wurde in den Stabsflügel zum Verhör gerufen.
Am Tisch saßen die Mitglieder der Untersuchungskommission, in einiger Entfernung der Leiter der Schule.
Johann bemerkte, wie blaß und langgezogen das Gesicht Dietrichs war, wie Gerlach triumphierte, wie beunruhigt Steinglitz war, wie besorgt Landsdorf. Nur Gerd saß in einer gleichgültigen, ruhigen Pose da, als ob ihn die Sache nichts anginge.
So unwahrscheinlich Johann auch die Flucht von Phase vorkam, durch sein Gehirn zuckte nichts anderes als Erstaunen. Und dieses Erstaunen spiegelte sich in seinem Gesicht wider.
Er hatte nicht einmal die Kraft, sich Vorwürfe für den blinden Haß zu machen, den er gegenüber diesem jungen Mann verspürt hatte. Ihm schien, als ob alles im Traum vor sich ging. Im Grunde hatte er mit dieser ganzen Geschichte nichts zu tun und deshalb auch nichts zu befürchten. Und dieses Gefühl der Gefahrlosigkeit schläferte ihn irgendwie ein.
Worum geht es denn, dachte er müde. Er hatte doch Dietrich widersprochen, war zusammen mit Gerlach der Ansicht gewesen, daß dieser junge Mann nicht zum Ausbilder tauge.
Wegen dieses Phase hatte sich Dietrich in letzter Zeit zu Johann um vieles kühler verhalten. Jetzt sollte er dafür zahlen.
Ja, Dietrich würde dafür zahlen. Aber an seine Stelle würde ein anderer treten. Wer? Und wie würde sich der zu Weiß verhalten? Was würde mit Steinglitz, wenn sie Dietrich entlassen würden? Ja, Landsdorf ... Und wer würde den größten Vorteil haben? Gerlach, der Fanatiker und Karrierist, der nützlichste Mann für die Schule, der gefährlichste für Weiß.
In dem Maße, wie diese Gedanken erst träge, dann schneller durch sein Gehirn zogen, fand Johann seine übliche Klarheit wieder. Zurückhaltend und gleichgültig sagte er zu dem Leiter der Untersuchungskommission:
„Herr Standartenführer! Ich gebe zu, daß mir anfangs kein negatives Material über den ehemaligen Lehrgangsteilnehmer Phase zur Verfügung stand, aber Hauptmann Dietrich befahl hartnäckig, ihn weiter im Auge zu behalten. Dann erhielt ich über Chrjatsch die Denunziation, ich schickte sie an Herrn Oberleutnant Gerlach, doch der ließ sie unbeachtet." Er blickte zu Gerlach hin. „Sie, Herr Oberleutnant, vertraten den Hauptmann Dietrich entgegengesetzten Standpunkt, und ich war gezwungen, mich Ihnen als meinem unmittelbaren Vorgesetzten zu fügen." Er schaute wieder zu dem Standartenführer: „Die Denunziation mit Datum und meinem Vermerk befindet sich in der Berichtsmappe von Oberleutnant Gerlach."
Ein SS-Mann verließ auf Befehl des Standartenführers das Zimmer und brachte die Mappe. Die Denunziation Chrjatschs ging unter den Kommissionsmitgliedern von Hand zu Hand.
Man sagte Johann, daß er frei sei. Und auch später wurde er nicht mehr vorgeladen.
Gerlach verließ die Schule unter SS-Bewachung.
Nur Steinglitz fand Gelegenheit, Johanns Tat offen einzuschätzen. Als er ihn auf dem Korridor traf, blinzelte er ihm zu, klopfte ihm auf die Schulter und sagte freundschaftlich, indem er mit dem Finger an die Stirn tippte:
„Du hast hier oben was weg!"
Rittmeister Gerd benahm sich Weiß gegenüber mit ausgesuchter Höflichkeit, hinter der Johann Vorsicht vermutete.
Was Dietrich betraf, so begann er Weiß zu meiden. Vielleicht war dem Aristokraten Dietrich zuwider, daß er seine Rettung einem unteren Dienstgrad verdankte. Vielleicht wartete auch Dietrich, nachdem er nun sein Schicksal mit dem Johanns irgendwie verknüpft sah, mit Widerwillen darauf, daß dieser ihn daran erinnern und eine Belohnung fordern würde.
Doch Johann tat nichts von all dem. Er wartete geduldig, bis die Gereiztheit Dietrichs sich legen würde.
Einige Tage später entnahm Johann Elsas Versteck den langerwarteten Brief, um den er das Zentrum gebeten hatte: den Brief von Nagels Frau.
As' Empfehlungen und seine eigenen Beobachtungen bestätigten, daß man mit diesem Mann arbeiten
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