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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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Wie hieß sie noch gleich, vermaledeit, ihm wollte bei Luthers Grab der Name nicht einfallen. Irgendetwas Ausländisches, so überkandidelt wie diese Ursula war, hatte sie ihr keinen deutsch-katholischen Namen gegeben. Französisch, nein, englisch? Genau, das Mädchen hatte einen Hang zur Musik gehabt, doch seit Langem wurde im Hause Georg Fugger nicht mehr auf den Instrumenten gespielt. Kostbare Stücke waren darunter, die hätten einiges eingebracht, aber er konnte sie dem Fugger nicht abspenstig machen. So waren sie nur verhängt worden, Stille und Andacht erfüllte seitdem das Haus, jedenfalls wenn Canisius anwesend war. Musik war auch ein Unding, ihn störte bereits der Vogellärm morgens in den Birken vor dem Domhaus. Wenn er ehrlich war, mochte er nicht mal die pompöse Kirchenmusik. Darum war er auch froh, dass die Gesellschaft Jesu kein Ordensgebäude hatte, so blieb ihm der Sakralgesang erspart. Oft genug musste er ihn bei den Messen ertragen. Er stapfte weiter, zwischen den losen Steinen zog es fürchterlich. Wo er doch so anfällig auf den Ohren war. Das mit den Wachspfropfen bei den Kühbacher Zöglingen war sein Einfall gewesen. So fanden sie zurück zum rechten, gottgeweihten, inneren Ton. Er hatte es sich von Ursula Fuggerins Schafwollpfropfen abgeschaut und wandte es nachts auch selbst an. Seitdem wiegte ihn sein eigenes besänftigendes Leibesgurgeln in den Schlaf.
    Gleich hatte er sie erreicht. Sie stand dicht über ihm. Mit geweiteten Augen starrte sie zu ihm hinunter. Das mochte er gar nicht. Unter jemandem stehen, noch dazu unter einer Halbwüchsigen. Er sah ihre speckigen Fesseln und die ausladenden Waden und streckte die Hand aus. Virginia, jetzt fiel es ihm ein, so hieß sie, wie das Virginal mit den zahngelben Tasten. Sie stand auf einem Brett zwischen Fenster und letzter Stufe. »Komm herunter.«
    Sie machte einen winzigen Schritt vorwärts, balancierte mit den Armen wie eine Tänzerin auf einem Seil, doch dafür war sie zu pummelig, weißes Kleid, hin oder her. Das Brett wackelte. Wo hatte sie die Dokumente versteckt? Canisius holte Luft, stützte sich auf das Knie, um den letzten Schritt nach oben zu tun. Er lugte unter das Brett, nichts. Wütend hob er das Brett an, sie fiel. Ihr Schrei summte noch eine Weile in seinen Ohren. Hell und klar und wieder Erwarten schön. Ein Unglück, weiter nichts. Und wieder eine göttliche Fügung mehr. Er machte sich an den Abstieg. Was war das? Ein Schatten oder der Saum einer Kutte? Von oben sah es nach einer Winznonne aus. Plötzlich durchfuhr es ihn eiskalt, die Spendenbriefe!

13. Das Höllenfeuer
    »Ihr Mörderinnen, Ihr habt meine Schwester in den Tod getrieben!« Anna brüllte und rüttelte an der Trennwand im Refektorium. Im Kauen innehaltend, glotzten die Nonnen. Auf einen trägen Wink der Äbtissin, die dafür nicht mal ihr Hündchen aus der Hand gab, packten zwei Kuttenträgerinnen Anna und sperrten sie in den Karzer.
     
    Ob Virginia noch lebte, als man sie barg, erfuhr sie nicht. Die Vorstellung, dass sie noch lange gelitten hatte, raubte Anna fast die Sinne. Sie raste wie ein wildes Tier, schlug um sich, trat gegen die Karzerwände. Ihre Schwester hätte sich nie und nimmer das Leben genommen. Oder war ihr Gesang ein letztes Aufbäumen, eine Art Befreiung von allen irdischen Zwängen, um auf ewig im Höllenfeuer zu schmoren? Ach, hätten sie wenigstens in den letzten Wochen miteinander gesprochen, mit Ruth war es doch auch möglich. Warum waren sie nicht zusammen weggelaufen? Jetzt war es zu spät. Am liebsten hätte sie ihren Kopf gegen die Wand geschlagen, um sich mit einem anderen Schmerz zu betäuben. Ihre Nase blutete wieder, erschöpft rutschte Anna die Wand hinunter und spürte etwas Hartes unter sich. Der vermaledeite Ring. Sie streifte ihn wieder auf den Finger und verbarg sich in ihrem Rock. Nichts sehen, nichts hören, nichts mehr fühlen, wenn das nur ginge. Sie sah auf. Im Lichtkegel des fehlenden Mauersteins lag das Liebeszauberbrot. Es musste aus ihrem Ausschnitt gefallen sein. Anna hob es auf und strich über das eingekerbte V. Ach, Virginia. Sie wiegte das Brot in den Händen. Kein Liebster würde je davon kosten. Dann warf sie es gegen die Wand, zog die Beine an und krümmte sich zusammen. Als sie wieder aufsah, entdeckte sie einen Zettel, der in den Brotstücken steckte. Mit zittrigen Händen entrollte sie ihn:
     
     
     
     
     
     

     
    Vier Buchstaben und ein Kreuz, oder war es ein lang gezogener Verbindungsstrich? C

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