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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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Äbtissin treffen und ihr neue Zöglinge ankündigen, stattdessen hatte er in ihrer Kammer, gleich neben der Kirche, dieses Mädchen vorgefunden. Das war doch diese Fuggertochter, wie hieß sie noch gleich, nicht die, die so gut malen konnte, sondern die dicke, unscheinbare, die sich stets hinter ihren widerspenstigen Schwestern verbarg. Von ihr hätte er das am wenigsten erwartet. Was suchte sie in den Kästen und Truhen? Den Schlüssel in die Freiheit? Glaubte sie ernsthaft, draußen weit zu kommen? Ein Mädchen, barfuß in einem weißen Kittel, sogar an guter Kleidung sparten die Schwestern für ihre Zöglinge nicht. Draußen war sie schutzlos der Landstraße ausgeliefert. Davon hatten diese verwöhnten Fuggergören natürlich keine Ahnung. Sie würde nie alleine nach Augsburg zurückfinden, vorher hätten sie Beutelschneider längst verschleppt und wer weiß was mit ihr angestellt. Wahrscheinlich müsste sie ihr Vater dann aus irgendeinem Frauenhaus freikaufen. Falls man ihr überhaupt glaubte, dass sie von den Fuggern stammte. Das war der Nachteil an den Einheitskitteln im Kloster, der Verschleierung und den schlechten hygienischen Bedingungen. Nach kurzer Zeit konnte man die Tochter des Baumeisters nicht von der Patriziertochter unterscheiden. Aber was gab er sich noch mit Gedanken an sie ab, es war sowieso zu spät. Jetzt musste er sich um sein eigenes Seelenheil sorgen. Obwohl er schuldlos war. Er hatte sie im Türstock stehend beobachtet, wie sie die Papiere durchwühlte und zwischen Hundekörbchen und Schreibpult nach ihrer Herkunftsabstammung suchte. Er räusperte sich und sie fuhr zusammen.
    »Suchst du die Vereinbarung, die ich mit deiner Mutter getroffen habe? Die wirst du hier selbstverständlich nicht finden.«
    Das Mädchen packte einen Stapel Dokumente und rannte aus der zweiten Tür, die auf dem kürzesten Weg zur Kirche führte. Wieso war die unversperrt? Der Schlüssel steckte, hatte sie ihn zuerst gefunden? Er würde mit der Äbtissin ein ernsthaftes Wort reden müssen, sie neigte schon wieder zum Lotterleben. Dabei war es erst ein Jahr her, dass sie der Bischof ermahnt hatte, mehr gottesfürchtige Disziplin walten zu lassen. Das Mädchen verlor ein Blatt. Canisius hob es auf und erkannte, dass es die Spendenbriefe waren, die sie mit sich schleppte. Bei Luther, was hatte sie vor? Diese Tür führte als einzige Zellentür direkt ins Freie. Er musste hinterher. Doch anstatt auf der Landstraße in die Freiheit zu laufen, rannte das Mädchen ums Kirchenschiff. Einen Augenblick blieb sie stehen, als überlegte sie, wohin sie sich wenden sollte, öffnete dann aus unerfindlichen Gründen die Tür zum Turm und lief die Stufen hinauf. Canisius Fuß schmerzte noch. Er konnte wieder zwei gleich große Schuhe tragen, aber er schaffte es nicht, sie einzuholen. Sollte er doch Alarm schlagen? Bis er im Refektorium oder wo auch immer die Kuhnonnen sich befanden, Bescheid gesagt hatte, war sie wahrscheinlich längst auf und davon. Er hinkte zum Turm. Lauerte sie mit einem Knüppel hinter der Tür und wollte ihn niederschlagen? Mit Wucht drückte er die Tür auf. Spitzeisen und andere Baumeisterwerkzeuge, die dahinter aufbewahrt wurden, schepperten und ein dumpfer Ton erklang. Er schauderte, spähte vorsichtig hinter die Tür und atmete erleichtert auf. Da stand nur die Glocke auf einem Holzgestell, vom Schutt eingestaubt. Zeit, dass der Turm vollendet wurde. Schlafkühe, das waren die Nonnen hier obendrein. Zur Turmweihe an Ostern hätte die Glocke bereits läuten sollen, geschweige denn, wenn ein Brand ausbrach. Andererseits war er nun froh, dass die dumme Fuggertrine nicht läuten konnte. Was wollte sie dann oben? Er hörte ihre keuchenden Schritte. Womöglich die Dokumente vom Turm herabwerfen? Nicht auszudenken, wenn Lesekundige all die Geldzuwendungen fanden und falsch auslegten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht musterte er die vielen Stufen der Wendeltreppe. Er musste es verhindern und wenn es ihn den Fuß kostete. Stufe um Stufe schleppte er sich hinauf, lauschte auf das Schnaufen über sich. Marzipan und Krebsbutter, ja, ja, hätte er sie nicht immer bei den Banketten geschlemmt. Er zwang sich, weiter zu steigen, kletterte über Bretter und lose Streben. Das Fuggergeld war längst berappt, was trödelten die Baumeister denn so mit der Fertigstellung? Er verschnaufte einen Augenblick. »Bleib endlich stehen. Ich tu dir doch nichts.« Aber mit dem Wachspfropf im rechten Ohr hörte sie ihn vielleicht nicht.

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