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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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saftiger Birnen wehte auch zu Kellenbenz. Es tat seine Wirkung, die Patrizierin bekam wieder Farbe im Gesicht. Sie schob sich eine Haarsträhne unter die Kugelhaube, nahm endlich das Fläschchen selbst in die Hand.
    »Allerfeinstes Bergamotte-Öl. Fünfzig Kreuzer, gnä’ Frau«, sagte die Huckerin.
    Die Dame zögerte.
    Da fuchtelte die Huckerin wieder zu dem Pflasterstein. »Der Jüngste Tag wird kommen.« Dazu schüttelte sie einen kleinen Beutel wie eine Spielfrau. »Und bis es so weit ist, hätte ich auch etwas Wachholderholz gegen die Motten in Eurem edlen Gewand. Damit Ihr vor dem Gottesgericht nicht durchlöchert und zerschlissen dasteht.«
    Auch andere Neugierige hatten sich um den Pflasterstein versammelt. Ein Lechfischer, dessen berufsbedingte Ausdünstung die Leute auf Abstand hielt, wagte sich vor. Er kratzte mit der Schuhspitze an der vermeintlichen Höllenglut, löste rosigen Schleim und etwas wie Haut von der Stelle, entdeckte Samen darin. Den umstehenden Damen entschlüpfte ein Stöhnen.
    »Wahrscheinlich wurde da nur eines dieser Gewächse zerdrückt, das aus dem Korb eines westindischen Händlers gefallen ist«, erklärte er.
    »Ihr meint eine dieser runden roten Spezereien?«, erwiderte ein Mann und trat vor. »Die hätte doch ein Bettler sicher aus den Fugen gekratzt.«
    »Da war doch auch einer in grobem Kittel«, meldete sich die Huckerin hinter den Leuten zu Wort. Sie hatte ihren Bauch auf die Ablage gewuchtet und beugte sich so weit wie möglich vor. »Den wird der Höllenfürst gleich mit hinabgezogen haben.« Kellenbenz drückte sich weg von ihr und stellte sich zu den Leuten auf die andere Seite.
    Der Mann neigte sich dem Lechfischer zu. »Unter uns …« Fischgeruch machte sich breit. Er rümpfte die Nase und versenkte sein Kinn im faltigen Hals. »Stark im Geruch ist so ein Liebesapfel, aber völlig geschmacklos ohne Salz.«
    Der Lechfischer musterte ihn. »Ihr tragt das Wappen der Weber?«
    Kellenbenz sah ebenfalls die drei Webstuhlschiffchen im Dreieck am Wams des Mannes. Ein Viertel der Augsburger waren Weber, die meisten davon arm wie Krautgärtner.
    »Und Ihr wollt ein Mitbringsel des Kolumbus gekostet haben?«, der Lechfischer musste dasselbe wie Kellenbenz gedacht haben.
    »Unser Zunftmeister spendierte uns welche, zusammen mit anderen Erquickungen.«
    »Ein Kind«, rief die Huckerin zwischen den Zuhörern durch, »hat er auch noch mit hinabgerissen.« Sie lugte an der schmalgepressten Taille der Patrizierin vorbei, doch keiner außer Kellenbenz beachtete sie. Dem Lechfischer galt die ganze Aufmerksamkeit. Er kniete sich aufs Pflaster, beugte sich wie ein Ungläubiger vor. Mit seiner fischverdorbenen Nase schnüffelte er an der Höllenglut. Die Leute hielten den Atem an. Seine Zunge schnellte vor, nahm den roten Batzen auf, kaute den Samen.
    Die Dame mit der Kugelhaube erbrach sich und bekleckerte den ausgestopften Iltiskopf ihres Flohpelzchens.
    »Schmeckt nach nichts. Ihr habt recht.« Der Fischer erhob sich wieder, schluckte und ließ seinen Adamsapfel beben. Er fuhr sich über den Mund und wischte sich die Hand am grätigen Kittel ab. »Welchen Anlass hatten diese Erquickungen?«
    »Anton Fuggers Leichenschmaus. Wir erhielten die Reste. Möge Anton Fugger göttliche Gnade und Gesundheit verliehen werden.«
    Drei katholische Augsburger in der lutherischen Menge bekreuzigten sich. Auch Kellenbenz erinnerte sich an die berittenen Adligen, die vor zwei Wochen den Sarg des größten Kaufherrn und Bankiers durchs Gögginger Tor begleitet hatten. So mancher fing am Straßenrand ein Münzalmosen auf, dass im strömenden Regen wenigstens nicht aufweichen konnte.
    »Wie kommt Ihr zum Leichenschmaus der Fugger?«, fragte der Fischer.
    »Auch die Fugger haben als einfache Weber angefangen. Einer der ihren war vor zweihundert Jahren unser erster Zunftmeister. Aus dieser Tradition hielt die adlig gewordene Fuggerfamilie in unserer Zunftstube am Judenberg einen Leichentrunk mit uns ab. Anton Fugger wurde in der Gruft im Schloss Babenhausen neben seiner Gemahlin beigesetzt. Möge seine Seele Frieden finden.« Der Weber hielt inne und setzte dann mit tieferer Stimme fort. »Sechs Millionen Goldkronen und etliche Ländereien müssen nun unter den Fuggererben verteilt werden.«
    Die Katholischen bekreuzigten sich wieder. Die Neugläubigen sahen kurz zu Luther in die Wolken. Getuschel entfachte sich, Klatschgeschichten über die Fugger zündeten. »Ach übrigens …«
    Eine kleine Frau mit

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