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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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alle.
    Anna sah, dass auch Philipp und Octavian, die sich abseits ihrer Schwestern mit verschränkten Armen aufgestellt hatten, mitbrüllten. Das Turamichele zog sich zurück, die Fensterflügel schlossen sich wieder. Anna nahm die zweijährige Mechthild auf den Arm, Sidonia und Virginia sammelten die anderen Geschwister ein. Sie schoben sich durch das Marktgewühl zur Kutsche zurück. Aus den Buden roch es verlockend nach Gebratenem und Gesottenem, aber auch Honigduft und unbekannte Gerüche mischten sich darunter. Von einer Bühne klingelte ein Schellenbaum. Ein Zahnbrecher rief:
    »Wohlher,
    wer hat einen bösen Zahn,
    denselben ich ihm gleich ausbrechen kann,
    auch weiß ich, wie man gebiert die Kinder,
    hab Zange und Arznei nicht minder,
    Petroleum und Wurmsamen,
    Tränke und Tand zum Kramen,
    Salben für Flöhe und Läus’,
    auch Pulver für Ratten und Mäus’.
    Wohlher, wer …«
    Heiligenfiguren, Turnierspielzeug und Harnischteile lockten in den Auslagen der Kramläden unter kupfernen Dächern.
     
    Den Kleinen gingen die Augen über und die drei Schwestern hatten Mühe, sie weiterzuzerren. Zu gern hätte auch Anna an den Ständen verharrt, den Bären im Zwinger studiert und die exotischen Vögel in den Volieren bestaunt. Dies alles kannte sie nur aus den Büchern ihres Vaters. Sie versuchte so viel wie möglich einzusaugen, bevor es wieder in den goldenen Käfig ging.
    »Schon Mutter, junge Frau?« Eine Alte, die ihr vernarbtes Gesicht in ein Fransentuch hüllte, hielt sie zurück.
    War das eine dieser Beutelschneider? Anna suchte nach einem Messer bei der Frau, sah aber nur einen vielfach geflickten Rock. Über die Leute hinweg spähte Anna zu den anderen, entdeckte Sidonias Haube und Virginias Haarschopf. Sie entfernten sich langsam immer weiter. Die Frau strich über Mechthilds Seidenmäntelchen, zog ihr das Händchen unter dem Ärmel hervor. Die Kleine war genauso überrascht wie Anna und ließ es geschehen. Die Alte musterte Mechthilds Handfläche, drehte Annas Hand mit der Fläche nach oben zum Vergleich. Ihr Blick verdüsterte sich.
    »Armes Kind, arme Frau«, sagte sie, »Reichtum hin oder her, meidet das Feuer, sonst wird Euch kein langes Leben geschenkt werden.« Anna betrachtete ihre Handfläche, nichts darin sah nach einer züngelnden Flamme aus. Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte sich die Alte schon abgewandt und wurde von der Menge verschluckt.
     
    Außer Atem berichtete sie ihren Geschwistern in der Kutsche, was sie erlebt hatten. Mechthild begann zu weinen, verbarg ihre Händchen hinter dem Rücken, als wären die an der Aufregung schuld. Sidonia und Virginia, die Albert und Raymund auf dem Schoß hatten, stöhnten auf.
    »Wie viel hat es gekostet?«, fragte Philipp. Der Wagen ruckte an.
    »Was?« Anna verstand nicht.
    »Die wird euch nicht umsonst die Zukunft aus der Hand gelesen haben?«
    »Du meinst, das war eine Seherin?« Anna hatte davon in einem Buch mit maurischen Märchen gelesen, aber dass es das echt gab, konnte sie nicht glauben. »Die kann wirklich in unseren Hände erkennen, was aus uns wird?«
    Philipp griff Annas Hand. »Ja, ganz schön kurz deine Lebenslinie.« Er grinste. Anna entzog sich ihm und sein Siegelring schrammte ihr schmerzhaft über die Knöchel. Als ältester Sohn durfte er bereits mit dem Fuggerischen Lilienwappen unterzeichnen. Auch wenn er den großen, schweren Ring am Mittelfinger trug, wo er immer nach vorn rutschte. Überhaupt wirkte der Ring fehl an seinen schwieligen Händen mit den schmutzverkrusteten Fingernägeln, denn am liebsten wühlte ihr ältester Bruder in der Erde und half dem Gärtner.
    Die Kutsche stand wieder, Philipp hämmerte an die Wand und rutschte auf seinem engen Platz ungeduldig hin und her. Dabei drückte er die anderen Geschwister zusammen, bis sie aufschrien. »Ob das eine echte Seherin oder eine Betrügerin war, wird sich bald herausstellen. Wie viele Silberlinge wollte die für dein Leben?«, fragte er.
    »Nichts«, sagte Anna.
    »Du lügst. Wieso sollte die umsonst vorhersagen, die hat bestimmt gesehen, wer wir sind und ist uns gefolgt.« Die Kutsche zuckelte in den verstopften Straßen wieder ein Stück vorwärts.
    »Vielleicht hatte sie Angst, wenn sie einer Reichen den Tod voraussagt«, presste Octavian hervor. Er war der dickste der Geschwister und musste sich zusammenquetschen, um überhaupt sitzen zu können.
    »Ha, Angst vor Anna, dass ich nicht lache.« Doch Philipp blickte seine ein Jahr jüngere Schwester ernst

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