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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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einem narbigen Gesicht unter einem Fransentuch streckte ihre Hände zum Himmel und rief: »Ich war Anton Fuggers Seherauge. Mit mir reiste er um die Welt bis nach Yucatán.« Blitzschnell senkte sie die Arme und packte den Weber am Kittel. »Falls du weißt, wo das liegt. Ich sag’s dir und deine Zukunft dazu. Einen Kreuzer pro Lebensjahr.«
    Die Menge zerstreute sich. Für das eigene Schicksal wollte keiner gern etwas berappen. Auch der Lechfischer verbarg seine Geldkatze und entschwand. Vielleicht konnte die Frau Kellenbenz weiterhelfen? Aber wie sollte er sie fragen? Als Seherin hatte sie bestimmt magische Kräfte oder las sein Anliegen von den Lippen. Er musste es versuchen. Doch die Frau hatte sich an den Weber gehängt und war zwischen den Huckerläden verschwunden.
    Wer würde Anton Fuggers Nachfolger sein, hörte er die Leute tuscheln. Das Gerücht von der Teufelserscheinung war vergessen, ein neues lief von einem Ohr ins nächste.

6. Die Pfauenfedern
    Kaum hatten die Fuggerkinder den Fronhof zwischen der Residenz des Bischofs und dem Augsburger Dom erreicht, stürmte Philipp zu Oheim Christoph neben Oheim Ulrich auf die Ehrentribüne. Anna fiel auf, dass ihr Bruder diesmal irgendwie herausgefunden hatte, welche Farben der Oheim trug, denn er hatte sich genauso gekleidet. Philipp beugte sich über die Brüstung und redete mit Octavian, der ihm hinterhergerannt war. Oheim Christoph fläzte im Lehnsessel und bediente sich an frischen Trauben, die ihm eine Zofe auf einem Tablett reichte. Christoph und Ulrich waren beide kinderlos und nicht verheiratet. Obwohl Ulrich, der Jüngste der drei, noch ein faltenloses Gesicht besaß, glich er Christoph mehr als ihr Vater. Beide Oheime hatten goldblondes Haar und trugen Ringe und lange Goldketten auf ihren Schauben. Keiner würde denken, dass der eine Katholik und der andere ein begeisterter Anhänger Martin Luthers war. Vielleicht vereinte sie auch einfach nur das Schauspiel, das ihr ältester Bruder Georg, Annas Vater, heute liefern würde. Nach einer Weile schlurfte Octavian mit gesenktem Kopf zu den anderen Geschwistern zurück.
    »Lässt er dich nicht mit in die Ratsherrenloge?«, stichelte Anna. »Will Philipp Oheim Christoph ganz für sich alleine?« Im Gänsemarsch quer durch den Schlamm aus Hufabdrücken und Fußspuren lenkte sie Mechthild und Albert über die ausgelegten Bretter. Octavian schenkte ihr einen vernichtenden Blick.
    »Sei froh, dir brennen wenigstens hinterher nicht die Ohren«, versuchte sie ihre Worte abzumildern. Oheim Christoph duldete es nicht, wenn jemand anderes außer ihm sprach. Selbst bei Tisch schnitt er ihrem Vater Georg das Wort ab.
    »Von Oheim Christoph kann man mehr lernen als von sonst irgendjemandem!«, behauptete Octavian und balancierte hinter ihr auf dem Brett.
    »Wie kannst du was lernen, wo du nicht dabei sein darfst?« Anna lachte.
    »Philipp erzählt mir alles.« Octavian versetzte ihr einen Stoß. Anna fiel auf Mechthild, konnte sie aber noch auffangen, doch Albert rutschte ab und landete der Länge nach im Matsch. Anna hob ihn auf. Er wischte sich mit Lehmhänden ins Gesicht. Octavian schwenkte grinsend an ihnen vorbei und eilte zu ihren Plätzen.
    Sie wollte ihm eines der Schimpfwörter nachrufen, die sie neulich in der Küche gehört hatte, biss sich aber auf die Zunge, als sie ihre Mutter sah. Anna wandte sich noch mal zu der Ehrenloge um. Würde Philipp den Oheim nach der Kristallkugel fragen?
    Der Schaukampf begann. Ihr Vater war bereits in gelb-violetter Fugger-von-der-Lilie-Montur auf sein Schlachtross gegürtet worden. Sie schickte sich, mit den Kleinen auf die Frauentribüne zu kommen. Mutter unterhielt sich mit ihrer Schwester, Muhme Sibylla, die auch lutherisch war und Marx Fugger geheiratet hatte, der einstweilen die Fuggergeschäfte verwaltete. Ursula runzelte die Augenbrauen, als sie ihre beschmutzten Kinder sah und schob sie mit einer schnellen Bewegung ihres Arms hinter ihrem breiten Rock an Sibylla vorbei.
    Was soll’s, dachte Anna. Albert hätte den Tag nie sauber überstanden und die paar Schlammspritzer auf Mechthilds Mäntelchen und ihrem eigenen gelben Kleid sah man kaum. Sie machte es sich zwischen Sidonia und Virginia bequem und missachtete den bösen Seitenblick ihrer Mutter.
    Anna mochte Turnierkämpfe. Obwohl die Aufgabe der Frauen und Töchter lediglich darin bestand, sich im Hintergrund zu halten, ihre Männer, Väter und Verwandten anzufeuern und bei einem Sieg zu bejubeln. So wie sich die

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