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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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setzte sie sich auf die Steinbank unter dem Kreuzgewölbe. Manchmal wachte sie immer noch schweißgebadet auf, träumte von Fratzen, Teufeln und brennenden Leibern. Einmal glaubte sie tatsächlich, jemand tropfe ihr heißes Wachs ins Ohr. Sie klopfte wie wild auf ihr Ohr, das sich immer mehr verschloss, während etwas laut darin brummte und pochte. Erst als sie aufstand, auf einem Bein sprang, schüttelte sie schließlich einen Käfer heraus, der ihr im Schlaf hineingekrabbelt war. Und trotz der vielen Jahre in St. Katherina und der Vertrautheit jedes Pfades und Winkels, glaubte sie hin und wieder irgendein Teufel lauerte ihr auf. Besonders wenn sie noch ganz in Gedanken versunken aus dem Skriptorium kam, formten sich Mauerwerk und Büsche leicht zu Gespinsten. Sie betrachtete die wippenden Zweige, die tatsächlich der Fratze des Ziegenbocks glichen, grün, nicht schwarz. Vielleicht hatte sie sich alles nur eingebildet, alles von Anfang an. Pater Canisius, der so gut zu ihr war, ihr Arbeit zutrug und mit Lob und Anerkennung nicht sparte, hatte sie als Mörder und Oheim Ulrich, der genug eigene Sorgen hatte, als seinen Auftraggeber verdächtigt. Dabei rettete er die Bücher ihres Vaters. Zusammen mit der Sammlung des Kurfürsten war die ›Bibliotheca Palatina‹ entstanden und erregte mit ihren einzigartigen Handschriften in der ganzen Welt Aufsehen, schrieb Heinrich in seinem letzten Brief.
    Wenigstens ihre Brüder führten das Fuggerische Familienerbe weiter, warum konnte sie sich darüber nicht freuen? Ihr Weg war hier zu Ende, mit oder ohne Geld. Sie würde diese Mauern nie verlassen. Jetzt dachte sie auch schon ›ich‹, ich, anstatt wir. Ihr fiel etwas ein. Das I zwischen W und R, als Zeichen für ›ich‹. Was hatte auf dem Zettel gestanden, den Virginia in ihrem Liebeszauberbrot versteckt hatte? Sie brach einen Zweig ab und zog Virginias Botschaft in den Sand.
     
     
     
     
     
     

    C + C und die Buchstaben W R. Das Kreuzzeichen konnte auch als I gelesen werden. C und C und WIR. Hatte Bianka recht gehabt und Pater Canisius war der Handlanger von Oheim Christoph gewesen und das Kreuzzeichen in der Mitte, das sie für ein I gehalten hatte, bedeutete Tod? Wie hatte das Virginia in Kühbach herausgefunden? Weder der Pater noch Christoph waren damals im Kloster. Handlanger, ja, dann hatte eben auch Canisius seine Handlanger, immer weiter hinunter bis zur Hölle, eine Hand wusch die andere. Vermutlich war die Hundsnonne von Äbtissin daran beteiligt. Deshalb musste Virginia sterben, wer weiß, ob das Unwetter wirklich den Brand ausgelöst hatte und nicht Mechthild einfach auch noch beseitigt werden sollte. Aber genauso gut könnte sie daran zweifeln, dass Vater bei einem Unfall starb, als er mit Salpeter forschte. Wie leichtfertig Philipp von Vaters Tod gesprochen hatte. Ihr fiel nicht mehr ein, was in seinen Worten auffällig gewesen war. Es änderte nichts, Vater lebte nicht mehr. In ihrer Zelle schrieb sie Heinrich einen Brief, beschrieb das arabische Herbarium, das sie im Auftrag von Canisius kopierte. Ein Buch voller Traktate über Gifte, die Pflanzenabbildungen darin wirkten wie gepresste Blumen, gleichmäßig aufgefächert und wirkungsvoll angeordnet. ›Philipp hat mich besucht, nach so vielen Jahren, nur um mir mitzuteilen, dass ich enterbt bin‹, kritzelte sie noch hastig ans Ende des Briefes. Als sie die Zeilen noch einmal überflog, wollte sie den unteren Teil schon abreißen oder durchstreichen. Es kam ihr wie ein Bittbrief vor, schnell schrieb sie dazu, dass es ihr hier an nichts fehle und sie nur traurig sei, nun endgültig die Verbindungen zu ihrer Familie verloren zu haben.
    Noch einen weiteren Brief verfasste sie, um ihr Gewissen zu erleichtern. Sie dankte Oheim Ulrich in Heidelberg und gestand ihm, dass sie schuld sei, dass er den Hildegard-Codex nicht in seiner Bibliothek habe. Sie würde sich freuen, wenn er ihr von seiner Sammlung schreibe, auch wenn sie in einem katholischen Orden lebe, so lege sie nach wie vor keinen Wert auf den Papst und sei froh, hier ihrer Kunst nachgehen zu können.
    Sie faltete beide Bütten so klein wie möglich und versiegelte sie. Dann zog sie Canisius’ Ring vom Finger. Als der Pater ihn ihr gab, passte er nur am Mittelfinger, nun trug sie ihn seit vielen Jahren am rechten Ringfinger, wie es sich für eine Braut Christi gehörte. Sie walzte den zweifach gedrehten Reif im flüssigen Wachs und hinterließ im Siegel Fahrspuren wie von einem Wagen im Schlamm.

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