Im Labyrinth der Fugge
sie in der Hand. »In der Bibel steht …«
»Ihr vergesst«, unterbrach Philipp, »Kardinäle, Prälaten und andere Geistliche sind meine Schuldner. Wer weiß, ob die ohne mich überhaupt wieder Fuß gefasst hätten im Deutschen Reich.«
Canisius raste. Jetzt wollte sich dieser Emporkömmling auch noch den Kampf gegen die Abtrünnigen aufs Fuggerwappen schreiben. Er sah ihn wieder vor sich, wie er ihn in seinem Elternhaus kennenlernte, ein mageres Bürschlein, kaum des Lateinischen mächtig und nur Bosheiten im Kopf. Ohne Canisius und seine Vermittlung ans Collegium Germanicum in Rom wäre er sicher nicht so weit gekommen. Nur weil er und sein Bruder Octavian vom Rat der Sechzig in den inneren Kreis der Zwölf aufgestiegen waren und nun ein Amt auf Lebenszeit besaßen, urteilten sie über ihn, dem sie alles verdankten. Bald würde man gar nicht mehr von den Fuggern sprechen, ihre Glanzzeit war vorbei, nachdem das Spanische Königshaus und mehrere andere Schuldner zahlungsunfähig waren. Die Silberminen in Tirol waren versiegt. Philipps lächerliche Versuche, mit etwas eigenem hervorzustechen, waren gescheitert. Novitäten wollte er verbreiten, hatte es ›Zeytung‹ genannt, und vergaß dabei, dass die wenigsten lesen und schreiben konnten. Zuletzt hatte er sogar ein ›Buch der Winde‹ verfasst, angelehnt an den Turm der Winde, den der neue Papst, Gregor XIII., für seine Wetterbeobachtungen auf dem Vatikan bauen ließ und der zur Kalenderreform führte. Acht Winde sollte es laut Philipp geben. Eher nur sieben, dachte Canisius, der achte war der Emporkömmling selbst. Heiße Luft, die dem Fuggergedärm als letzter Furz entwich.
Doch der Windforscher hörte nicht auf. »Habt nicht Ihr selbst mit Oheim Christoph eine zinsähnliche Übereinkunft getroffen?«
»Niemals«, rief Canisius erbost. Ich habe dich vor dem Kloster bewahrt und insgeheim dein Leben gerettet, dachte er.
»Ihr werdet mir doch nicht weismachen wollen, dass Ihr das Grundstück für das Jesuitenkolleg umsonst erhalten habt?«
»So, wie es einem Beichtvater zusteht. Euer Oheim wollte damit von seinen Sünden erlöst werden.«
»War das kein Wucher? So viele Sünden wie ihr Bauland bekommen habt, wird er auch nicht auf dem Kerbholz gehabt haben.«
Dazu schwieg Canisius.
»Versteht mich nicht falsch, Pater. Ich halte mich an das kanonische Zinsgebot. Gebe dem, der in Not ist und nehme, wenn er wieder zu Wohlhaben gekommen ist. Das ist nur Rechtens. Meine Familie hat Euch von Anbeginn Eures Wirkens unterstützt. Mein Vater, dem Ihr seine geliebten Bücher nahmt, unterschrieb sogar einen Schutzbrief für Euch, während überall in den Deutschen Landen die Jesuiten hinausgeworfen wurden. Aber nun weiß ich nicht mehr, ob ich Euch als Domprediger halten kann.«
Ach, das war der Grund. Die lutherische Mehrheit im Rat hatte gegen ihn aufbegehrt. »Ich würde nicht so leichtfertig daher schwätzen, Graf. Eure Schwester hat womöglich alle Eure Machenschaften aufgezeichnet.«
»Meine Schwester?«
Canisius schob Annas rotes Buch über den Tisch. »Seht Euch an, was Anna in zwanzig Jahren Kloster fabriziert hat.« Er fixierte Philipp, auch wenn er das ähnlich undurchschaubare Gebaren seines Oheims Christoph übernommen hatte, so wollte Canisius prüfen, ob er Erstaunen vortäuschte. Vielleicht hatte es ja zwischen den Geschwistern eine Art Geheimcodex gegeben und er konnte Annas Schrift entziffern. Die Priorin erzählte Canisius zwar, dass das Verhältnis mehr als angespannt war, und Anna völlig verarmt wäre, sollte sie jemals das Kloster verlassen. Er müsste um eine Mitgift handeln.
Philipp zog die Augenbrauen hoch. »Was soll ich mit einem Buch?« Gleichgültig blätterte er in den Seiten.
»Was steht da, Graf, bitte lest vor.«
»Lest selbst. Ihr seid doch des Entzifferns mächtig.« Philipp wollte das Buch achtlos wegschieben, verharrte auf einer Seite und grinste. »Ist das Eure Mutter in dem Käfig da?« Er deutete auf ein Bild. Canisius sprang auf und betrachtete es. Eine Frau kauerte in einem viereckigen Kasten mit Gitterstäben des Initials des Buchstabens A, die nackten Beine angezogen, den Kopf verborgen. Woher wusste Anna von seiner Mutter?
»Oheim Christoph hat mir erzählt, dass Ihr der Sohn einer Besessenen seid. Welche Schmach für Euren Vater, hatte er sich doch vom Apotheker zum Bürgermeister hochgearbeitet und dann das. War das Euer Anstoß, so erbittert gegen die Irrgläubigen vorzugehen?«
»Sagt mir, was da steht!«
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