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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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Canisius verlor die Geduld. »Ihr könnt es doch lesen, oder? Gebt es zu.«
    Philipp zog sich das Buch noch mal heran. »Eine acht und noch eine acht und noch eine.«
    Canisius schlug auf den Tisch. Er tobte. »Ich bin am achten geboren, an dem Tag als über Luther die Reichsacht verhängt wurde, ich bin das achte Mitglied der Gesellschaft Jesu. Acht, acht, acht. Und bedenkt auch, dass Anna die achte Nonne in St. Katherina ist.« Seine Stimme überschlug sich. »Sie hat mein Leben aufgeschrieben, versteht Ihr. Mein Leben, und ich kann es nicht entziffern.«

3. Das Hochzeitskleid
    Der Fuhrmann weigerte sich, nachts zu fahren. Und so war Anna gezwungen, bei Hörmanns Schwester in der Jakobervorstadt zu übernachten. Barbara erwartete die beiden bereits mit einer Talglampe auf der Türschwelle eines Hinterhauses. Hellbraune Locken umrahmten ihr breites Gesicht mit der gleichen Himmelschmeckernase wie Hörmann. Sie knickste und errötete, als Anna ihr die Hand gab.
    »Ich bin keine Ordensschwester mehr«, sagte Anna und während sie es aussprach, spürte sie erst, was es bedeutete. Sie atmete auf. »Lass uns einander Du sagen«, schlug sie der zehn Jahre jüngeren Barbara vor.
    »Da bin ich aber auch dabei.« Hörmann duckte sich hinter ihr durch die niedrige Tür. »Hans Jakob heiße ich.«
    Ein Kaminfeuer prasselte und ein halbes Dutzend Kerzen beleuchtete einen gedeckten Tisch.
    »Dank dir für das schöne Kleid, Barbara.« Anna legte ihren Chormantel ab und sah sich um. An Haken und Leinen hingen überall in der gemütlichen, kleinen Wohnstube kostbare, bunte Gewänder. So eine Farbenpracht hatte sie zuletzt vor ewigen Zeiten in Sidonias Kammer gesehen. Bestickte Mieder, perlenverzierte Rocksäume, plissierte Kragen. Sie konnte sich gar nicht satt sehen. »Du hast einen guten Geschmack«, sagte sie und biss sich auf die Zunge, denn selbst trug Barbara ein ungefärbtes Leinenkleid, mit vielen Flicken an Rock und Ellbogen.
    »Die gehören mir nicht. Ich wasche und nähe für einige Kaufleute«, erklärte Barbara. »Aber das Kleid, das du trägst, …« Sie flüsterte nun fast. »Es war mein Brautkleid.«
    Anna hätte es am liebsten sofort ausgezogen. »Du bekommt es zurück, versprochen«, sagte sie schnell.
    »Nein, nein. Es passt mir sowieso nicht mehr.« Sie lächelte traurig. »Es steht dir ausgezeichnet, behalte es. So und nun lasst uns essen und dann zu Bett gehen. In wenigen Stunden müssen wir aufbrechen.«
    »Wir?«, fragte Anna.
    »Ach so, ich vergaß …«, Hörmann zwängte sich zwischen Tisch und Ofenbank. »Meine Schwester wird deine Reisebegleitung sein. Ebenso ein Student, der nach Heidelberg reist und um eine Ermäßigung für die Kutschfahrt dankbar war. Er ist Feuerwächter und wird euch beide beschützen.« Er drehte sich ein Hühnerbein ab und lud sich Bohnen auf den Teller. Anna hatte den Verdacht, dass Barbara einen ganzen Wochenlohn oder mehr für das Mahl ausgegeben hatte. Obwohl sie vor Aufregung nicht hungrig war, nahm sie aus Höflichkeit von den Speisen. Ihr Magen rumorte, als sie ein paar Bissen schluckte. Das erste Essen in Freiheit schmeckte köstlich. »Und dein Mann, schläft er schon?«, fragte sie kauend.
    »Er war Lechfischer«, Barbara goss ihnen Wein ein. »Wir waren nur drei Jahre verheiratet, da geriet er in die Strömung und ertrank.«
    Sie aßen schweigend. Hörmann und seine Schwester haben beide ihre Liebsten verloren. Nun wollten sie Anna zu Heinrich verhelfen.
    Nach dem Mahl verabschiedete sich der Goldschmied, nicht ohne ihnen noch einige Anweisungen für den Reiseweg zu geben. »Ich muss in meine Werkstatt zurück, damit keiner Verdacht schöpft. Anna, vergiss nicht, ab heute gibt es dich nicht mehr.«
    Anna umarmte ihn. »Dank für alles, ohne dich …«
    »Dein Oheim bezahlt alles, danke ihm und den Katholischen für ihre Kalenderreform.« Er lachte, dass sein Kugelbauch bebte. »Und wenn ihr mal was zum Vergolden braucht: Ich kann auch nach Heidelberg liefern.«
    Sie begleitete ihn hinaus und wartete, bis er sich, schwankend vom Wein, davonmachte und von der Dunkelheit verschluckt wurde. Als sie wieder ins Haus zurückgehen wollte, nahm sie eine Bewegung hinter der Ecke wahr. Doch der lange Schatten rührte bestimmt nur von einem Baum.

4. Die Botschaft
    Anna war verschwunden. Tagelang scheuchte Canisius die Nonnen wie Hühner herum, sie suchten sogar im Wirtschaftstrakt. Nirgends eine Spur von ihr. Schwester Hildegard, die Einzige die wissen konnte, ob Anna durch

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