Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
Vom Netzwerk:
knarrte, drohte auseinanderzukrachen. Wieder spürte Anna, wie sich jemand vom Strohsack erhob. Plötzlich schrie nicht Schellebelle, sondern er. Etwas Schweres fiel auf Anna, erdrückte sie fast. Sein Schrei ging in einen gurgelnden Laut über.
    »Mutter«, stammelte er, röchelte dicht an Annas Ohr. Das Geräusch drang ihr bis ins Mark, ihr wurde speiübel. Dazwischen vernahm sie das Schluchzen der Magd. Sie wimmerte zuerst und fing erneut zu kreischen an.
    »Ich hab den Teufel erstochen, ich hab den Teufel erstochen!«, schrie sie, entfernte sich vom Bett.
    Anna hielt es nicht mehr aus. Sie wollte sich aus dem Bettzeug winden, doch der Leib lag wie ein Felsblock auf ihr und presste sie in den Strohsack. Sie stemmte sich dagegen, schaffte so einen kleinen Hohlraum zum Atmen.
    Der scharfe, durchdringende Geruch nach Schwefel war in allen Ritzen. Sie kannte das von den Experimenten ihres Vaters.
    »So riecht der Leibhaftige, Anna«, hatte Georg Fugger gescherzt und seinen selbstgebrannten Schnaps probiert. »Auf ihn, der brennt, Sakrament!«
    Anna schob sich langsam, Stück für Stück, mit Füßen und Händen an der Wand entlang unter dem Gewicht durch. Bei jeder ihrer kleinen Bewegungen klopfte etwas an die Wand. Endlich gelang es ihr, am Fußende aus dem Bett zu kriechen. Ein schwarzer haariger Berg war auf sie gefallen. Sie flüchtete in eine andere Ecke der Küche. Da lag der Teufel, quer überm Bett.
    Er röchelte noch immer.
    Gleich würde er aufspringen und sie packen. Die Magd kreischte und schrie im Treppenhaus. Wahrscheinlich lief sie zu Annas Mutter hinauf.
    Langsam schob sich Anna an den Truhen und Regalen vorbei zur offenen Küchentür, zwang sich, den Teufel nicht aus den Augen zu lassen. Er atmete schwer. Der Kopf mit den langen Hörnern, die an die Wand geschlagen hatten, als Anna unter ihm herauskletterte, war verdreht, wie bei einer Eule. Ein Auge in dem Teufelskopf starrte sie an, die zweite Augenhöhle war leer. Das Fell bedeckte eine verrutsche Kutte. Beine in zweifarbigen Strümpfen und breiten Kuhmaulschuhen hingen über den Bettrand. Blut tropfte auf den Boden. Anna entdeckte auch Flecken auf ihrem Nachthemd.
    Gleich hatte sie es geschafft. Sie ging weiter rückwärts, Schritt für Schritt, stolperte fast über das Butterfass. Dann war sie an der Tür und wieder ganz nah bei ihm. Sie stutzte. Von hier ähnelte der Teufelskopf mit der langen schmalen Schnauze einem schwarzen Ziegenbock. Der Bock und der Mann hatten das Gesicht zu demselben Grinsen verzerrt, beide bleckten die Zähne. Anna sah die Bänder, mit denen sich der Mönch den schweren Bockskopf umgebunden hatte. Das Gesicht des Mannes war rußverschmiert, seine Augen halb geschlossen. Auch das Bettzeug zeigte schwarze Schmiere. Etwas Glitzerndes lief dem Mönch aus dem Mund. Er röchelte unaufhörlich in kurzen Zügen. Sollte sie ihm helfen? Anna zuckte zusammen. Ihr nackter Fuß berührte etwas. Sie hob es auf. Eine Wachskugel mit einem schwarzen Kreis darauf. Ein Augapfel.
     
    Im oberen Stockwerk regte sich etwas, Rufe, Getrappel, viele Stimmen durcheinander. Das Haus wurde wach. Anna hörte auch ein Klicken an der Haustür. Von außen wurde der Schlüssel im großen Messingschloss des Portals gedreht. Ihr Vater? Er nahm doch immer den Seitenweg über die Arkaden zu seinem Alchimistenturm. Wie sollte Anna, in ihrem dünnen Nachthemd, noch dazu blutbefleckt, erklären, was sie hier suchte? Sie musste sich verstecken und später nach oben schleichen. Schellebelle und sie würden dann alles ihren Eltern erklären. Der Teufelsmönch röchelte noch immer. Sie hastete zurück, an den Truhen entlang, hob die Deckel. In der ersten Truhe war Geschirr, die nächste war leer, bis auf wenige Metzen Getreide. Es würde rascheln, wenn sie da hineinstieg. Anna spürte einen kalten Luftzug an den Beinen. Schnell nahm sie die Laken aus der dritten Truhe, häufte sie auf den Boden und kletterte hinein. Sie kauerte sich zusammen, senkte den Deckel, gerade als Severin, der Diener ihres Vaters, die Küche betrat. Anna lauschte angestrengt. Wo blieb ihre Familie? Ihre kleinen Geschwister weinten im Obergeschoss. Mittendrin hörte sie den Mönch winseln.
    Severin würde ihm helfen. Anna schluckte. Die Schmerzen im Hals hatten nachgelassen, dafür tat ihr nun alles vom Genick bis zu den Beinen weh. Ihr war kalt und ihre Füße begannen einzuschlafen. Sie spähte durch ein Astloch. Der Diener war so alt wie ihr Vater, aber einen Kopf größer und knorrig

Weitere Kostenlose Bücher