Im Labyrinth der Fugge
winselte F plötzlich. »Bier … Anker.«
Kellenbenz zuckte zusammen. Hatte er richtig gehört? Er bückte sich herab und packte F am Kragen, doch der rührte sich nicht mehr. Sein Hals war blutverschmiert, auch seine Kukulle klebte. Woher kannte er seine Tochter? Nie hatte Kellenbenz sie ihren Namen selbst sagen hören, vielleicht wusste sie gar nicht, wie sie hieß. Er durchsuchte F, musste etwas finden, irgendeine Spur zu Bianka. Im Ärmel ertastete er etwas. Da hörte er Stimmen. Er nahm den Silberdolch an sich, hastete zum Stall und verbarg sich zwischen den Pferden.
Der Pater, in langer schwarzer Soutane und Hut, ja wirklich, der Spitzbärtige vom Pestberg, trat mit dem Fuggerdiener durch das Türchen in der Mauer und schritt durch die Stallgasse.
»Begattet hat er fie«, hörte Kellenbenz den Diener lispeln.
»Wer?«, fragte der Pater.
»Na, der …, der … Fatan.«
»Was, der Vater?«
»Nein, der F-ataaan.«
»Dieser Trottel«, rief der Pater und blieb vor der wilden Frau stehen, die schlaff in den Seilen hing. »Anstatt sich an die Anweisungen zu halten, denkt er nur an sich. Ich dachte, er hätte sich im Griff. Wir waren erst im Frauenhaus. Alles hat er verdorben mit seiner Geilheit, dieser Bock.«
Im Mondlicht flirrten die Haarsträhnen der Frau. Wie Margit, dachte Kellenbenz. Am liebsten wäre er vorgestürmt und hätte sie losgeschnitten. Das Pferd schnaubte. Der Pater sah in seine Richtung. Kellenbenz duckte sich, lauschte angestrengt. In der Hand umklammerte er den Dolch.
»Ich … ich habe ihn ver…, ver…«, hörte er den Diener stammeln.
»Na was, sag Er schon. Vergraben?«, ergänzte der Pater ungeduldig.
»In eine Truhe habe ich ihn getan. Ich hoffe, ef war richtig fo?«
»Und – lebt er noch?«
»Er hat fich nicht mehr gerührt, und wenn, dann ift er verblutet.«
»Und das Messer? Bringe Er es mir schleunigst, nicht dass man es noch bei dem Leichnam findet. Dann mache Er die Küche sauber, aber spurlos.«
»Hochwürden, da liegt einer.« Sie hatten F entdeckt.
17. Die Mäusezähnchen
Unendliche Zeit später wurde der Truhendeckel gehoben. Anna blinzelte in einen Leuchter. Der Deckel fiel wieder und etwas Schweres senkte sich darauf. Es knackste. Sie drückte mit Kopf und Schulter gegen den Deckel, konnte ihn nicht heben. Hatte jemand was auf die Truhe gestellt? Sie war eingesperrt. Sollte sie schreien, bevor sie erstickte? Doch alle Kraft schien aus ihr gewichen. Sie lauschte. Da atmete jemand. Anna zog Arme und Beine wieder enger an sich. Es war ein gleichmäßiges Atmen, kein Röcheln. War der Mönch auferstanden und hatte sich auf ihre Kiste gesetzt? Sie schluckte. Ihre Zunge war unverletzt. Nur ein Traum, alles, auch das mit dem Teufelsmönch. Oder etwa nicht? Schellebelle! Wo war sie? Vor dem Astloch hing etwas. Sie tastete mit einem Finger danach. Kaum hatte sie den Stoff berührt, verschwand es. Der Truhendeckel knarzte, als sich jemand erhob und ihn erneut öffnete. Im Kerzenschein eines dreiarmigen Leuchters erkannte sie zuerst eine Reihe vorstehender Mäusezähnchen in einem bärtigen Gesicht. Der Mann trug dieselbe schwarze Kutte wie der verkleidete Mönch, nur war er älter. Anna sah zur Tür. Wo steckte ihre Familie? Schellebelle hatte geschrien, in ihren Ohren dröhnte es noch. Anna griff ein Laken und legte es über ihre nackten Beine.
»Wen haben wir denn da?«, fragte der Mann. Die bedächtige Stimme, mit der er seine Worte weich machte und in die Länge zog, kannte Anna. Auf der Trauerfeier von Vaters Oheim Anton Fugger hatte er gepredigt, so leise, dass man jeden unterdrückten Furz in der Schlosskapelle hörte. Petrus Canisius, der Beichtvater der katholischen Fugger. Was suchte er hier? Sie stieg aus der Truhe, wickelte sich so in das Laken, dass die Blutflecke auf ihrem Nachthemd bedeckt waren und spähte zur Getreidetruhe. Sie war geschlossen, keine Blutspuren zu sehen. Auf dem Boden lag nicht mal ein herausgefallenes Korn. Anna widerstand der Versuchung den Deckel zu heben, und bezweifelte, dass der Tote noch darin war. Keine Schleifspur, kein Fleck. Alles war blankgescheuert. Sogar weißes, gestrafftes Bettzeug leuchtete ihr von Schellebelles Lager hinter dem Herd entgegen.
»Geh hinauf und kleide dich an«, sagte der Pater. Anna fiel auf, dass er beim Sprechen die bärtige Oberlippe immer über seine vorstehenden Zähne stülpen wollte. »Und dann komm in die Hauskapelle.«
Hauskapelle? So was hatten sie auf dem Gut der Kleesattlergasse
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