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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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genannt, weil ihre blonden Zöpfe wie Glockenstränge frei um ihren Kopf baumelten, nicht wie die der Fuggermädchen, die stets streng eingedreht am Kopf festgesteckt waren. Nur nachts durften auch Annas hüftlange Zöpfe baumeln.
    »Da ist jemand im Garten«, rief Anna lauter, rüttelte an ihren Schultern.
    »Was?«, knurrte die Magd. Ihre dicken, weißen Pobacken lugten unter dem Nesselhemd vor. Sie scherte sich nicht darum. Das Bettzeug neben ihr war zu einem Haufen geknüllt und warf einen aufgeblähten Schemen an die rußgeschwärzte Wand.
    Anna erschrak. »Bist du allein?«
    Isabella öffnete die kleinen braunen Augen. »Wer soll denn da noch sein, der Lakengeist?« Sie zwickte Anna in die Kniebeugen. Anna kreischte, knickte ein und ließ sich über die Magd fallen, rollte ins Bett.
    Sollte doch sonst wer im Garten herumschleichen, dachte sie. Schellebelle würde ihren Ofendreizack schwingen und ihn vertreiben. Der vertraute Geruch nach Schweiß, Gewürzen und Schmalz in den Kissen umhüllte sie. Wie oft hatte sie hier die Nacht verbracht, war beim Knistern des Feuers und Schellebelles Summen in einen angstfreien Schlaf geglitten. Sie zog das Bettzeug zu sich heran, breitete die Decke über sich.
    »Was wird das?«, fragte Isabella.
    »Ich habe ganz starke Halsschmerzen. Machst du mir einen Wickel?« Anna schluckte und wirklich, der Schmerz kam zurück.
    Die Magd peitschte Anna die Glockenstränge ins Gesicht, erhob sich seufzend und schlüpfte in die Holzpantoffeln. »Ist sowieso gleich Zeit zum Nachlegen. Halsschmerzen, so, so, ja wie denn?«
    Anna kannte die Fragerei schon. Die Wehwehchen der Kinder waren bei Isabella nicht einfach nur Husten oder Schnupfen oder Bauchweh. Sie wollte es immer ganz genau wissen, fragte merkwürdige Sachen. Nur so konnte sie das richtige Heilmittel geben. Seither war keines der Fuggerkinder mehr ernsthaft krank geworden, sogar die Buben waren über die ersten Jahre hinausgewachsen und der Stadtmedikus Occo traf sich nur noch in der Augsburger Herrentrinkstube mit ihrem Vater.
    »Hast du Durst?«, fragte sie. Anna verneinte. Sie wollte nichts schlucken.
    »Sticht es bis zu den Ohren?« Die Magd beugte sich zu ihr hinunter, drückte ihr auf den Hals.
    »Au.« Anna mochte Schellebelles Ziegenköttelaugen mit den dunklen Ringen darum herum. Sie selbst hatte die leicht schräg stehenden hellgrünen Augen ihrer Mutter geerbt.
    »Ganz verschwitzt bist du«, stellte Isabella fest.
    »Du auch«, sagte Anna. Im Schein des Feuers zeichneten sich feuchte Flecke unter Isabellas Achseln und zwischen den Brüsten ab. Sie presste ihren Busen nicht nach der neuestes Mode unter Bleiplatten flach, wie Annas Mutter es tat. Wenn sie Schellebelle nie nackt gesehen hätte, wüsste sie vielleicht gar nicht, dass Frauen Brüste haben.
    Anna streckte und räkelte sich nach allen Seiten. Sie gähnte.
    »Vorm Morgengrauen musst du aber wieder rauf, bevor es die Gräfin spitzkriegt. Versprochen?«
    Anna nickte schwach. Ursula duldete keinen Umgang mit den Dienstboten. Trotzdem waren alle Fuggerkinder, sobald sie wegsah, in der Küche, beim Gärtner oder bei den Stallburschen.
    »Weck mich dann.« Anna fielen die Augen zu.
    »Wie fühlt es sich an im Hals?«, bohrte Isabella weiter.
    »Als hätte ich Scherben geschluckt«, sagte Anna mit geschlossenen Augen und erinnerte sich an den Traum. Lachende Teufel und Mechthilds Tritte. Hoffentlich kugelte die Kleine oben nicht aus dem Bett. Sie lauschte Schellebelles schlurfenden Schritten auf dem Steinboden, Deckel von Tiegeln, die klappernd gelupft wurden, dann das Geräusch des Stößels im Mörser. Jetzt zerrieb die Magd etwas, schöpfte Wasser aus dem hauseigenen Brunnen in der Küchenmitte. Als sie zum Bett zurückkam, war Anna fast eingeschlafen.
    »Was ist das?«, fragte sie matt, öffnete brav den Mund. Es roch nach nichts, war kalt auf der Zunge und schmeckte süß. Sie schluckte vorsichtig.
    »Zerstampfte Honigbiene«, erklärte Schellebelle.

14. Die Silberblumen
    Im Mondlicht tat sich ein paradiesischer Garten unter Kellenbenz auf. Obstbäume, Gemüsebeete, vier Labyrinthe und ein Pavillon. Neben dem Wehrturm verbanden Arkaden die Stallungen mit den mehrstöckigen Wohnhäusern. Bianka wuchs hier wie eine Prinzessin auf, hatte es besser als bei ihm. Sie würde sprechen lernen, genug zu essen haben und ihn vergessen. Es sah alles so friedlich aus. Der Mond spiegelte sich in einem Wasserbecken. Er sollte zurückklettern und Bianka in Ruhe lassen. Beim

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