Im Labyrinth der Fugge
wickelte sich fester in das Laken.
»Guten Morgen, gnädiges Fräulein.« Celia, die Amme knickste und kam die Stufen herunter.
Schnell raffte Anna das Laken über das fleckige Nachthemd, tilgte alles Teuflische der vergangenen Nacht und erhob sich schwankend. Das Geländer, die Stufen, Celia mit dem Bündel, alles kreiste. Die Amme trat zu ihr.
»Ist Euch nicht gut, Contessa?«
»Nur schwindelig vom schnellen Aufstehen«, sagte Anna und wunderte sich, dass sie ganz gewöhnliche Worte gefunden hatte. Erst dann sah sie, dass Celia Annas jüngste Schwester Maria auf dem Arm trug.
»Schläft sie?« Anna beugte sich über das Bündel.
»Ich bin schon froh, dass sie wenigstens nicht mehr schreit«, sagte Celia. Dunkle Kulleraugen in einem winzigen sommersprossigen Gesicht lugten aus dem festverschnürten Fatschen. Anna schob ihren Arm aus dem Laken, dabei glitt der Ärmel des Nachthemdes zurück, sie hoffte, dass kein Blutfleck sichtbar wurde. Mit zittriger Hand streichelte sie die Wange ihrer kleinen Schwester. Marias Haut war so zart und kühl. Annas Augen füllten sich mit Tränen.
»Was ist mit Euch?«, fragte Celia.
»Nichts.« Anna wischte sich die Tränen fort und mied es, die Amme anzusehen.
»Die Gräfin ist außer sich«, flüsterte Celia.
»Wegen mir? Ich hatte Hunger und bin dann hinunter …« Was redete sie da? Ihre Stimme bebte, sie schluckte. Ihre Halsschmerzen waren wirklich weg, es war kein Traum. Doch lieber sollte es in ihrem Hals brennen und stechen und Schellebelle nichts geschehen sein.
»Nicht wegen Euch. Dieser Pater regt sie auf. Taucht hier mitten in der Nacht auf, und befiehlt allen, sich in der kleinen Stube unterm Dach zum Gebet einzufinden, als hätte er hier das sagen.«
»Und Mechthild und mein Vater?«
»Contessa Sidonia hat Mechthild und Albert mit hinauf in die Dachstube genommen. Der Pater hat Severin nach dem gnädigen Herrn geschickt. Ich warte noch bis Comtessa Maria eingeschlafen ist, dann gehe ich heim, wenn es recht ist.«
Maria schnalzte, als wollte sie einen Rest Milch von der Zunge saugen.
»Was, so gut hat es dir geschmeckt?« Anna küsste das Kind, schloss dabei kurz die Augen, die Bilder waren weg, kein Blut, kein Dolch, kein Mord mehr.
»Dann ist es also wahr?«, fragte Celia.
»Was?«
»Dass …, dass er und die Magd Isabella, also, dass sie …«
Die Amme holte Luft und sagte schnell: »Der Pater behauptet, er hat ihn verscheucht, … ihn, den Leibhaftigen.«
»Davon weiß ich nichts. Ich muss zu den anderen gehen. Schlaf gut, Maria.« Anna stieg hinauf.
»Contessa Anna?«, fragte Celia und rang wieder mit sich. »Meint ihr, der Leibhaftige hat der Küchenmagd …, ihr wisst schon …, beigewohnt?« Sie senkte den Blick, wartete keine Antwort ab, sondern eilte mit Maria die Stufen hinunter.
Beigewohnt? Anna sah Celia nach, deren Holzschuhe die Stufen hinunterklapperten. Wohnen, sich gemütlich machen, ausbreiten, einrichten in einer Frau? Das, was dieser Mönch mit Schellebelle gemacht hatte, war alles andere als gemütlich. Anna ging in ihre Kammer, stopfte das blutbefleckte Nachthemd zusammen mit dem Laken in eine Ecke der Kleidertruhe. Sie schlüpfte in ein frisches Unterkleid und nahm irgendeine Ropa, schloss hastig die kleinen Haken auf der Brust und schlüpfte in die zweifarbigen Lederschuhe. Sie hatte keine Zeit, ihre Zöpfe neu zu flechten, drehte sie nur über den Ohren ein und steckte sie fest. Noch schnell ein paar Spritzer Lavendelwasser, das den Gestank des Teufelsmönchs vertrieb. Sie würde alles vergessen, zu ihrer Familie eilen und Schellebelle wiedersehen.
Auf dem Weg zur Dachstube hörte sie von Weitem schon die kreischende Stimme ihrer Mutter. Eine hagere, riesenhafte Gestalt hockte auf der obersten Treppenstufe. Würde Severin sie packen, wenn sie an ihm vorbeiging?
18. Das Lauffeuer
Mit seinen Händen zwischen den Beinen erwachte Kellenbenz. Im Traum waren es die zarten Hände einer Frau in einem durchsichtigen Hemd gewesen, die mit ihm durch ein Labyrinth gelaufen war, bis sich um seine Beine Blätter und Wurzeln wanden und ihn zurückzogen. Langsam war er zu einem Baum geworden. Sie hatte gelacht und auf sein Geschlecht gezeigt, das wie ein Ast aus dem Stamm ragte, dann hatte sie ihn berührt. Ihr Streicheln war in Reiben übergegangen, schneller und immer schneller, die Ranken umwucherten ihn, hielten seine Arme wie Schraubstöcke fest, Blätter drangen ihm in Ohren und Nasenlöcher. Sie rieb und rieb,
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