Im Labyrinth der Fugge
gebracht, die Höllenbuben auszuspucken, Pater?«
»Selbstverständlich.« Etwas schabte, vermutlich strich sich Canisius über den Bart. »Der Trunk von geweihtem Wasser löste ihre Zunge und reinigte ihre Seele. Am Vorabend des Maria-Himmelfahrt-Festes entwich der letzte Teufel.«
»Dann ist es möglich, die Seele von allem Übel zu befreien und ganz und gar reinzuwaschen?« Die Piepsstimme ihrer Mutter überschlug sich fast.
»Wenn nicht, Gnädigste, was meint Ihr, wie die Dämonen um sich greifen würden.«
In Annas Kopf stach es, sie presste die Augen zusammen. Schellebelle, wo befand sie sich? Maria Himmelfahrt, das war im Sommer. War Canisius nicht in Wien gewesen, bevor er nach Augsburg kam? Nicht Schellebelle, jemand anderes hatte er die Teufel ausgetrieben. Trotzdem wollte Anna nichts mehr hören, sie drückte sich tiefer in die Kissen, harrte bis die Blitze in ihrem Kopf verebbten. Der Donnerschlag folgte, sie sprachen von ihr.
»Wir müssen sehen, wie Anna sich entwickelt. Erst dann kann ich ihre Seele auf die Waagschale legen. Möge Gott es so eingerichtet haben, dass Eure Tochter nichts von der Buhlschaft der Magd mitgekriegt hat«, sagte Canisius.
Wieder fiel Anna in die erlösende Dunkelheit und wurde von einem nassen Kuss geweckt.
Mechthilds rundes Gesicht neben ihrem Bett. »Anna wach«, juchzte sie, patschte in die Hände.
Auch Medikus Occo war hier. Er stand hinter ihrer kleinen Schwester. »Wie fühlst du dich, mein Kind?«, fragte er.
Sie horchte in sich hinein, da war nichts als ein großes dunkles Loch.
»Leer«, sagte sie, die Worte rollten schwer über ihre Lippen.
»Ich habe dir auch einiges an schlechtem Blut abzapfen müssen.«
Erst jetzt merkte Anna, dass er ihren linken Arm hielt, aus dem ein Rinnsal Blut in eine Schüssel tropfte. Wie ein Faustschlag traf sie die Erinnerung. »Wo ist …?«, fragte sie.
»Wo ist … was?« Occo hob die Augenbrauen.
Oder hatte Anna nur von einem Teufelsmönch geträumt, den Schelle…, der erstochen wurde? »Wo ist …?«, setzte sie wieder an.
»Ich bin hier, meine Kleine.« Ihre Mutter huschte ans Bett. Sie schien bester Laune zu sein. Anna hielt Ausschau nach Canisius, der zum Glück nicht zu sehen war.
»Sind diese Ohnmachtsanfälle gefährlich?«, fragte ihre Mutter. Sie redete wie immer, im Ton einer Herrin über Kinder und Gesinde.
»Sie wird erwachsen, Gräfin, ihr Körper reift, da spielen die Blutsäfte schon mal verrückt«, erklärte Occo. »Eine kräftige Brühe und viel frische Luft, dann ist sie bald wieder wohlauf.«
»Es wird eben Zeit, sie zu …, dass wir …« Mutter stotterte, das kam selten vor.
»Der Teufel …« Anna richtete sich auf. Die Schüssel kippte und ihr Blut ergoss sich auf den Boden. »Es war kein echter, und Schellebelle, sie hat sich nur gewehrt.«
»Ist gut, Anna. Ruh dich aus.« Occo drückte sie in die Kissen zurück und legte ihr einen Verband um den Arm.
»Ich hab Pater Canisius gewarnt, es ist zu viel für die Kinder, aber hier muss einiges gerade gerückt werden. Ich danke Euch, Medikus. Ich werde nun eine Brühe veranlassen. Mechthild, komm, du musst frisch eingekleidet werden.« Ihre kleine Schwester war von Kopf bis Fuß mit Annas Blut bespritzt.
22. Die Hornhaut
Der Garten gehörte zu einem mehrstöckigen Haus, das wie die meisten in Venedig unzählige Kamine auf dem Dach hatte. Philipp schlenderte an der Fassade entlang, aus der ein hölzerner Erker ragte, der der ›Goldenen Schreibstube‹ seiner Familie ähnelte. Ein alter Mann versperrte ihm die schmale Gasse zwischen Wasser und Haus. Gebückt kraulte er einen dicken, roten Kater und redete in dem süßlich klingenden Venezianisch auf das Tier ein. Der Kater wand sich unter den knochigen Händen, genoss aber offensichtlich die ruppige Liebkosung, denn er schnurrte aus halb zugekniffenen Augen. So viel Philipp verstand, beklagte sich der Alte über den Nebel, die eigenen Gebrechen und die Ungerechtigkeit der Welt. Alles, aber auch alles bliebe an ihm hängen, seit Andrea ertrunken sei. Ob Andrea im Wein oder im Kanal den Tod gefunden hatte, hörte Philipp nicht heraus.
»Das war aber auch Zeit«, fuhr ihn der Mann barsch an, als er Philipp bemerkte. Aufgeschreckt sprang der Kater ins Haus. Ein grünstichiger Gockel prangte als Klopfer an der Tür. Neugierig lugte Philipp ins Innere.
»Dann komm«, sagte der Alte. Bevor Philipp die Verwechslung aufklären konnte, hatte er ihn ins Haus geschoben und die Tür
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