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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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geschlossen.
    »Zieh die Stiefel aus, bevor wir raufgehen. Ich hab schon genug Arbeit. Wie heißt du?«
    »Philipp«, stammelte er. Noch vom Tageslicht geblendet, ertastete er teppichverhängte Wände zu beiden Seiten. »Filippo, na gut. Ich bin Giuseppe«, stellte sich der Alte vor.
    Brav schlüpfte Philipp aus den Stiefeln und folgte Giuseppe den schmalen, finsteren Gang entlang, eine gewundene Treppe hinauf. Bunte Fenster aus Muranoglas, wie zu Hause im Wehrgang, gab es hier. Nur dass es keine Bruchstücke, sondern ganze Scheiben waren. Knarzten die Stufen oder Giuseppes Gelenke so? Der Alte überschüttete ihn mit Worten, von denen Philipp nur die Hälfte verstand. Andrea hätte auch nicht viel gesprochen, seine Aufgabe sei auch nicht die eines Narren und Unterhalters gewesen, seine Aufgabe sei … Er ermahnte Philipp zu schweigen, als sie oben angelangt waren. Dabei hatte er außer seinem Namen noch kein Wort gesagt.
    Große, bleiverglaste Fenster und weißer Marmor erhellten das Empfangszimmer, Philipp wunderte sich, dass so ein schwerer Fußboden nicht längst samt Haus ins Meer gesackt war. Der Alte bedeutete ihm, stehen zu bleiben, und verschwand hinter der zweiflügeligen Tür. Philipp stützte sich auf das geschmiedete Geländer, betrachtete die Gemälde, die er auf den ersten Blick für eine Ahnengalerie gehalten hatte. Nun sah er, dass es ausschließlich Tierbildnisse waren. Ein Pfau, ein Ziegenbock und ein Tier, das er noch nie gesehen hatte. Er trat näher. Es war kein Tier, sondern ein ganz aus Früchten und Pflanzen zusammengesetzter Menschenkopf. So etwas hätte von Anna sein können, genau solche Einfälle gefielen ihr. Wo blieb der Alte nur, war er in irgendeinem Sessel eingeschlafen und hatte ihn vergessen? Faktor Rummel würde ihm eine Moralpredigt halten, das war sicher.
    Nicht aus dem Salon, sondern aus einer kleinen Seitentür kam Giuseppe und winkte ihn heran. Philipp bückte sich unter dem Türstock, eine Duftwolke schlug ihm entgegen. Er wollte in die abgedunkelte Kammer treten, doch Giuseppe hielt ihn zurück.
    In einem hohen Lehnstuhl flüsterte jemand. Giuseppe tuschelte mit der Gestalt, die sich darin verbarg. Potthässlich musste der Hausherr sein oder krank, deshalb die Düfte, um die Fäulnis zu übertünchen. Philipp wich in den Vorraum zurück. Womöglich war das Früchtebildnis sein Porträt?
    »Die Herrschaft wünscht zu erfahren, aus welchem Teil Deutschlands Er komme und was Ihn nach Venedig treibt?«
    »Augsburg. Die Fugger. Ich bin …«
    Wieder das Flüstern und der Alte gab die Worte weiter. »Bei welchem der Fugger hat Er gearbeitet?«
    »Bei den Georg Fuggerischen, in der Kleesattlergasse.« Guiseppe griff seine Hände und musterte sie. Der Anblick schien ihn zufriedenzustellen. Philipps Schwielen waren mangels Gartenarbeit zwar zurückgegangen, die Hornhaut verschwunden, bis auf die am Mittelfinger, von der ewigen Schreiberei, aber es waren unverkennbar die von Pflanzensaft und Erde verfärbten Hände eines Gärtnerburschen. Endlich begriff er.
    »Wie ist deren Garten angelegt. Haben die Brunnen?«, fragte Guiseppe.
    »Sogar mehrere.« Philipp unterdrückte ein Grinsen. Diese Posse gefiel ihm. »Wasserbecken, ein ewiges Labyrinth aus Buchs und zierliche Steinfiguren, ähnlich den Euren im Garten. Äh, ich habe mir erlaubt, mich schon etwas umzusehen. Georg Fugger selbst hat keine geschickte Hand für die Pflanzen, umso mehr sein Ältester, ein wahres Naturtalent, unter meiner Anleitung versteht sich.«
    »Du, Bürschchen, willst einen Fuggersohn unterrichtet haben?«
    »Ich sollte nach Venedig reisen und neue Pflanzen erkunden. Ich will lernen, wie Ihr Wassermenschen Land gewinnt.«
    Ein Kichern aus dem Sessel. Saß darin ein Zwerg? Wieder tuschelte Giuseppe mit dem Verborgenen und sagte dann: »Nun gut, komme Er für eine Silbermünze am Tag und zeige seine Kunst, ob Er das Gestrüpp wieder in einen Garten verwandeln kann. Gerätschaft findet Er im Schuppen.«
    »Ich kann immer nur mittags, weil der Fakt…, äh, Fugger, also wenn mein Herr Mittagsschlaf hält.«
    Sollte Rummel nur murren, Philipp hüpfte die Stufen hinunter. Heute konnte er ihm nichts mehr anhaben.

23. Das Hexachord
    Klimpertöne erfüllten das Haus.
    »Ihr findet mich am Virginal«, verkündete Virginia stets, falls jemand sie suchen sollte, was nur ein Tauber tun würde, denn bald darauf hämmerte sie in die Tasten des Instruments, das sie wegen der Namensähnlichkeit wie eine Freundin

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