Im Labyrinth der Fugge
gesagt hatte, täglich Gast im Hause Fugger. Wenn er die Kinder begrüßte, bespritzte er sie mit Weihwasser, dass er stets in einem Kupferfläschchen am Gürtel trug, so als müsste er die Ketzerkinder erst für seine Gegenwart reinigen.
»Wie wäre es, wenn du Hochwürden ein hübsches Altartuch sticken würdest, Anna«, trug ihr die Mutter auf. Sie war meist gut gelaunt, seit sie diese Exerzitien bei Canisius, was immer das auch sein sollte, abgehalten hatte. Auch wenn ihr plötzliches Hinauseilen bei den Mahlzeiten und ihre vermehrten Ohnmachtsanfälle darauf hindeuteten, dass sie wieder schwanger war. Sie verbrachte viel Zeit mit dem ›Köcher der göttlichen Liebe‹, einem Büchlein, das ihr Canisius geschenkt hatte. Mit der Nase zwischen den Seiten saß sie, von vielen Kissen gestützt, am Kachelofen und schien die Kinder um sich herum nicht zu bemerken. Wurde es ihr zu laut, erhob sie sich. Anna sah von ihrer Stickarbeit auf und bemerkte, wie auch Albert und Mechthild in ihrer Balgerei einhielten und auf Mutters Donnerwetter warteten. Doch es folgte weder Hagel, Graupel noch Platzregen, sondern Ursula rezitierte einen Psalm: »Täglich fechten sie meine Sache an; alle ihre Gedanken suchen mir Böses zu tun.«
Morgens und abends pilgerte sie, von ihrer Kammerfrau begleitet, in den Mariendom.
»Ich werde noch wie eine Bauersfrau verhornte Sohlen bekommen«, scherzte sie sogar mit den Töchtern.
Dass sie den Haushalt vernachlässigte, fiel nicht weiter auf, denn ohnehin verwandelten sich die gräflichen Kammern und der Salon nach und nach in einen spartanisch eingerichteten Kapitelsaal.
Aber Sidonia weigerte sich, auf ihre Aussteuer zu verzichten. »Für was brauchen die Armen Tischwäsche aus Barchent, wenn sie nicht mal Geschirr haben, um welches darauf zu stellen.«
»Deshalb, Liebes, geben wir ihnen auch unser Silber dazu, Gott wird es uns einst lohnen«, säuselte ihre Mutter.
»Und wenn sie gar keinen Tisch haben, sondern auf der Straße betteln?« Sidonia sperrte ihre Truhen und ihre Kammertür zu, wodurch es mit Virginia ständig zum Streit kam, da die Schwestern die Kammer im dritten Stock teilten. Den Schlüssel trug Sidonia immer bei sich und weigerte sich, einen zweiten Kammerschlüssel herstellen zu lassen. Virginia blieb nur die Wahl zwischen eingeschlossen werden oder vor der Tür warten, bis die älteste Schwester gnädig aufsperrte.
Das Porträt Martin Luthers, das Lucas Cranach gemalt hatte, wurde Oheim Ulrich geschenkt. Im Salon hing nun ein Ölschinken mit Jesus auf Wanderschaft von einem unbekannten Maler. Jeglicher Pomp wurde weggeräumt, Wertsachen, für deren Besitz Ursula ihrem Mann früher mit mehreren Schwächeanfällen gedroht hätte, verschenkte sie an Bedürftigere, wie sie es ausdrückte.
Ein Fuhrmann, der wie ein Jesuit gekleidet war, lenkte den Kobelwagen mit den fuggerischen Besitztümern zum Tor hinaus.
»Dafür kauft sich der Pater wieder einen Ring«, wisperte Sidonia zu Anna. Übrig blieb nur die feuervergoldete, federgetriebene Tischuhr mit dem filigran verzierten Stundenzeiger, an die sich selbst Ursula gewöhnt hatte und nach der sie ihren Aufbruch zum Gottesdienst richtete.
Meist unterhielt sich Vater kurz mit Canisus und floh dann in seinen Alchimistenturm.
»Wie geht es Ihren Söhnen, mein lieber Graf, schreiben sie fleißig?«, fragte Canisius diesmal gleich nach der Begrüßung. Die Tür zum kleinen Salon stand offen. Anna stickte seit Tagen an der langen, geschwungenen Bordüre für die Altardecke, die ihr Mutter aufgetragen hatte. Dazu hatte sie das Leinen in einem großen Stickrahmen auf zwei Böcke gestellt. Es war ihre einzige Beschäftigung, der Latein- und Algebraunterricht würde erst wieder beginnen, wenn die Brüder zurückkehrten.
»Danke der Nachfrage, Pater. Philipp schreibt mir jede Woche. Die Wasserstadt bekommt ihm außerordentlich gut, wie mir scheint. Nicht immer nur seine Setzlinge und anderes Grünzeug, mit dem er sich zu Hause beschäftigt hat. Zu meiner großen Freude hat er nun auch mit dem Lautenspiel begonnen. Ich beneide ihn um den Austausch mit den venezianischen Lehrmeistern.«
»Nun, jedem das seine, Graf. Ein hitziges junges Gemüt in Erde abzukühlen, war sicher nicht das Schlechteste.«
»Octavian hingegen tut sich mit dem Briefe schreiben noch schwer, da wird Magister Weißfuß einigen Nachholbedarf haben, wenn sie wieder zu Hause sind«, sagte Georg und mit einem Seitenblick zu Anna am Stickrahmen ergänzte er:
Weitere Kostenlose Bücher