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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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Hölle war das.« Ursula fächelte in Höchstgeschwindigkeit. »Aber wir feiern keine Geburtstage mehr, wenn du das meinst. Deine Namenspatronin steht über allem. Nun aber los!«
    »Und wann ist mein Namenstag?«, fragte Anna.
    »Am sechsundzwanzigsten Juli.«
     
    Beim Schneider fragte Anna, für welchen Anlass alle Fuggerkinder in dunkle Farben gekleidet wurden.
    »Am spanischen Hof trägt man schon längst gedeckte Farben«, erklärte ihre Mutter.
    Also hatten die Medici als modisches Vorbild ausgedient, dachte Anna. »Und wieso werden wir ausstaffiert? Ein Tanzfest oder schon wieder ein Turnier?«
    Ursula winkte ab, unterhielt sich rege mit dem Schneider.
    Früher hatte Anna mehr Widerstand geleistet, aber nun wollte sie tragen, was ihr gefiel und nicht, was König Philipp der Zweite von Spanien vorschrieb. Es war ihr gleich, ob sie in Gelb, Rot oder Schwarz herumlief. Sie vermutete, dass es wie immer mit Pater Canisius zusammenhing. Es sah nach Trauerkleidung aus, aber eine Beerdigung konnte ihre Mutter schlecht vorausplanen. Sidonia weigerte sich hartnäckig, sich in Dunkelbraun, Schwarz, Dunkelblau und auch in Grau zu kleiden. Der Schneider bot einen weißgetüpfelten Stoff als Kompromiss an.
    »Da sehe ich ja aus wie ein Perlhuhn«, sagte Sidonia.
    »Besser als ein Paradiesvogel«, erwiderte ihre Mutter. Paradiesvögel, gibt es die wirklich?, fragte sich Anna.
    Ursula und Sidonia einigten sich nach langem Gezeter auf Blau-Violett, schillernden Damast, stritten noch eine Weile über den Ausschnitt. Sidonia bot an, auf die Schlitze in den Ärmeln und am Busen zu verzichten, wenn es nicht so hochgeschlossen sein musste.
    »Man soll seine Reize nicht jedem zeigen«, sagte Ursula, ließ sich vom Schneidergehilfen mit einem riesigen Straußenfächer Luft zuwedeln und gab erschöpft nach.
    »Brokatdamast wollte ich sowieso«, flüsterte Sidonia zu ihren Schwestern. »Ach ja, Anna. Alles Gute …« Sie umarmte sie. Virginia gratulierte ebenso, als Ursula über den Preis verhandelte.
    »Mutter hat uns verboten, dir was zu schenken. ›Das solltet ihr lieber den Armen opfern‹«, äffte Sidonia Mutter nach. »Komm einfach später rauf in unsere Kammer. Wir lassen uns Xocolatl bringen, wenn Mutter zur Abendmesse geht.«
     
    Wieder zu Hause beschloss Anna sich selbst zu beschenken und ein paar Stunden an ihrem Lieblingsplatz zu verbringen. Sie schlenderte den Wehrgang entlang, betrachtete die verschiedenen in Blei gefassten Glasstücke in den ehemaligen Schießscharten, bemalte Bruchstücke in allen Formen und Größen. Wie oft waren sie als Kinder hier hin und her gelaufen und hatten versucht, alle Teile eines Bildes zu finden. Bestimmt hatte Großvater Raymund selbst Spaß an diesem Glasscherbenspiel im Wehrgang gehabt, als er es in Auftrag gegeben hatte.
    Großvater Raymund, den sie nur von dem Ölbildnis der Ahnengalerie über den Stufen kannte. Er trug darauf ein flaches schwarzes Barett und einen dunkelbraunen Vollbart. Man meinte, dass sich sein Gesicht ganz leicht zu einem Grinsen verzog, denn seine Frau Katharina neben ihm, mit strenger weißer Haube, wies ihn mit erhobenem Zeigefinger zurecht: »Wann hörst du auf, Labyrinthe und sonstigen Firlefanz bauen zu lassen? Und warum lässt du die Glasbilder zerschlagen?«
    Vor zwei Jahren, an ihrem zwölften Geburtstag hatte sie es zum ersten Mal bemerkt. Ihr Geburtstagsgefühl war nicht mehr so stark wie in ihrer Kindheit. Sonst war sie den ganzen Tag gehüpft, geschwebt, ein Leuchten hatte sie umgeben, das jeder sehen musste.
    Vierzehn und erwachsen. Von nun an sollte ihr Name der Gedenktag sein, dass sie existierte. A-n-n-a, von vorne und von hinten gleich. So wie die vielen Annas, die es in der Fuggerdynastie gegeben hatte. Sie war nur eine weitere Anna und sie beschloss, dass sie ihre eigenen Töchter niemals so nennen wollte. Vielleicht heiratete sie bald und dies war ihr letztes Jungfernjahr? Wie würde ihr Liebster aussehen? Würde er all dies mögen, was sie mochte? Würde er die Bücher so lieben wie sie? Wenn nicht, dann würde sie es ihn lehren, ihn zurechtweisen, wie Großmutter Katherina: »Nimmst du wohl ein Buch in die Hand!« Bei dem Gedanken begann sie doch noch zu hüpfen, sie sprang den Wehrgang entlang bis zum Alchimistenturm und stieg die Wendeltreppe hinauf.
    Die Bibliothek ihres Vaters ganz oben im Turm war nicht nur wegen der Bücher ein besonderer Ort. In den Regalen verbargen sich Türen mit geheimen Nischen. Hinter einer ein

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