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Im Labyrinth der Fugge

Im Labyrinth der Fugge

Titel: Im Labyrinth der Fugge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Abe
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auf kleine Stücke verbrannt. Die Ränder zerfielen, als sie in den Seiten blätterte. Schriften, die sie noch nie gesehen hatte und darunter die italienische Erklärung. Hatte ihr Vater auch italienische Bücher besessen, oder war es ein Lehrbuch ihrer Mutter, das Canisius ihr verboten hatte? › Codice segreto ‹, las sie an einer Stelle. Doch der Geheimcode war nicht zu entziffern, weil Satzteile fehlten. Auf der nächsten Seite war wieder eine verschlüsselte Schrift und darunter das Bruchstück ihrer Bedeutung. Meist ein Teil eines Alphabetes oder Zahlen in einer bestimmten Anordnung. Dann gab es eine sternförmige Abbildung, die mit einzelnen Buchstaben und Wörtern beschriftet war. ›Stimcul Dmal Esemeli‹ las sie. Doch die Erklärung dazu war verbrannt.
    In Annas Innerem begann es lodern. Sie schrieb einige Zeichen ab, probierte selbst ein Alphabet, verschob es dann um einen Buchstaben. Das war zu leicht. Sie probierte eine andere Geheimschrift. Wenn sie die Schriftzeichen verschnörkelte, anstelle eines Buchstaben ein gemaltes Zeichen entwarf …, auch das würde zu leicht zu enträtseln sein.
    Donna schlief ruhig und fest eingerollt im Käfig. Anna versuchte es weiter. So würde sie etwas aufschreiben können, ohne dass ihre Mutter oder Canisius es verstanden. Vielleicht konnte sie einen Codex entwickeln, den sie immer bei sich trug, so wie Sidonia ihren Kammerschlüssel. Einfach müsste es sein und doch schwierig genug, dass selbst Philipp und Octavian es nicht herausfanden. Endlich würde sie ihre schrecklichen Erinnerungen aufs Papier bannen und aus ihrem Kopf vertreiben. Wenn doch Maria bald gesund würde.
    ›Ich, Anna Fuggerin‹, wäre der erste Satz, ›habe im letzten Jahr einen Menschen getötet …‹

34. Der Goldstaub
    Das Hauptportal stand offen, als Kellenbenz mit seiner Karre ankam. Schon auf der Kaisermeile waren ihm mehrere Gespanne aufgefallen, die nicht bei den bemalten Fuggerhäusern am Weinmarkt hielten, sondern bis zum ummauerten Grundstück der Kleesattlergasse fuhren. Sollte er einfach durch das Eingangstor treten und seine Tochter herausholen? Was, wenn sie nicht zu ihrem zungenlosen, einsamen Vater zurückwollte und sich an ein Leben in Prunk und Völlerei gewöhnt hatte? Kellenbenz spuckte aufs Pflaster und ging die Kleesattlergasse an der bewachsenen Mauer entlang bis zum Ende des Grundstücks. Hinten, zur Stadtmauer, gab es noch eine Pforte, an der er sich oft herumgedrückt hatte, in der Hoffnung Bianka zu sehen. Schnell sprang er hinter das Mauereck, als sich das Tor öffnete. Der lispelnde Fuggerdiener leitete einen Zweispänner heraus, winkte den Wagen entlang der Stadtmauer Richtung Norden. Kellenbenz spähte auf die Fracht. Mehrere Truhen und Kisten mit Tuch überzogen. In letzter Zeit war das oft geschehen und Kellenbenz fragte sich, ob diese Fugger überhaupt noch Betten hatten oder auf den bloßen Dielen schliefen wie die Mönche. Stand ein Umzug bevor? Die Wagentücher trugen ein Wappen, doch Kellenbenz konnte mit den Schriftzeichen nichts anfangen, glaubte aber, dass es sich nicht um ein Wappen der Fugger von der Reh oder der von der Lilie handelte. Ein stehender Löwe zierte das Signum. Waren die Herrschaften in ihren Kutschen auf der anderen Seite des Grundstücks die neuen Besitzer?
    Das Fuhrwerk war außer Sichtweite und der Diener wieder verschwunden. Kellenbenz wollte durch die Pforte treten, sprang aber ein zweites Mal zurück, als ein weiteres schwer beladenes Fuhrwerk aus der Einfahrt preschte, wieder mit wappengeschmückter Abdeckung. Mit klopfendem Herzen wartete er, ob noch ein drittes kam, doch die quietschenden Torflügel schlossen sich ganz. Kellenbenz trat in die Gasse und entdeckte ein kleines Buch in einer schlammigen Fahrrinne. Er hob es auf. Hatten diese Fugger eingesehen, dass stundenlanges Entziffern irgendeines Gekritzels sich nicht lohnte? Was sollte einem das schon geben? Er strich über die goldverschlungenen Vertiefungen des Einbandes und roch daran. Rinds-, nein, Kalbsleder. Sogar die Seiten hatten einen Goldschnitt. Mit seinen Fingern kratzte er darauf herum. Sollte er versuchen den Goldstaub irgendwie abzuschaben? Die Seiten waren dicht beschrieben. Vermutlich mit Belehrungen, Lebensweisheiten, Rezepturen.
    Gut, in der Kürschnerzunft hatten sie auch ein Buch besessen. Der Meister vermittelte ihnen die Säureformeln daraus. Aber half ihm ein aus Tierhäuten zusammengeleimtes Ding, Bianka zu finden? Er warf es zurück in den Matsch

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