Im Land der Feuerblume: Roman
zutrat und wild mit den Händen zu fuchteln begann, um sie zu verscheuchen.
»Wenn wir heute einen Pfarrer da hätten«, setzte er an, »wenn uns Pastor Zacharias nicht im Stich gelassen hätte, dann wäre es doch jetzt an der Zeit, ein paar feierliche Worte zu sprechen.«
Seine Stimme klang lallend. Viktor nutzte die Gelegenheit, um sich von Christl und seiner Schwester loszumachen. Empört öffnete Christl daraufhin den Mund, um den Störenfried anzufahren, doch es war Fritz, der ihr zuvorkam. »Du bist ja betrunken«, bellte er durch den Raum. »Halt lieber den Mund!«
Poldis Hirn schien zu benebelt, um zu bemerken, woher die scheltende Stimme kam. Wankend drehte er sich zunächst in die eine, dann in die andere Richtung. Jule schüttelte abermals den Kopf.
»Sag du mir nicht, was ich zu tun habe, Bruder!«, rief Poldi, als er Fritz endlich entdeckt hatte. »Immer nur schuften – das geht nicht! Es wird doch auch mal Zeit, auf das zu blicken, was wir zustande gebracht haben. Zeit, uns selbst zu loben – und vor allem die Frauen.«
Wieder drehte er sich suchend im Kreis; schließlich blieb sein wässriger Blick bei Annelie hängen. »Wer, wenn nicht Annelie von Graberg, hätte uns dieses Mahl zaubern können?«
Annelie lächelte; aus der Ferne sah Elisa nicht, ob geschmeichelt oder vielmehr verlegen.
»Dafür, dass sie viel zu starken Apfelwein braut, bist du der beste Beweis«, warf Jule spröde ein.
Poldi ließ sich nicht verunsichern. »Ja, was wären wir ohne Frauen. Eine tüchtige Frau übertrifft alle Perlen an Wert. Sie sorgt für Wolle und Flachs und schafft mit emsigen Händen …«
Zitierte er etwa aus der Bibel? Dass er neuerdings fromm war wie seine Schwester Lenerl, war Elisa neu.
»Was sagt er? Was sagt er?«, hörte sie Jakob Steiner fragen, als wäre der nicht nur gelähmt, sondern auch taub.
»Kraft und Würde sind ihr Gewand. Sie spottet der drohenden Zukunft«, fuhr Poldi fort. Schwer stieß seine Zunge gegen die Zähne.
Christine starrte missbilligend auf ihn. »Jetzt tu doch was!«, wies sie Fritz an.
Entschlossen trat dieser nun auf den Bruder zu, packte ihn an den Schultern und zog ihn zurück. Poldi stolperte über die eigenen Füße und fiel so hart gegen Fritz, dass der sich nur mühsam aufrecht halten konnte.
»Und die schönste und die klügste und die lustigste Frau von allen … jene Frau, für die es sich zu arbeiten lohnt … die am hellsten lacht und die schönsten Grübchen hat und das glänzendste Haar …« Er verschluckte sich an den Worten. »Diese Frau ist …«
Verwundert blickte Elisa auf Resa, mit der Poldi eben getanzt hatte. Meinte er etwa das farblose Mädchen?
»Ja, die einzige Frau, mit der man reden kann … und lachen … und singen, vor allem singen …«
»Du gehst jetzt besser an die frische Luft!«
Fritz packte Poldi am Nacken, wollte ihn nach draußen zwingen. Doch der kämpfte gegen den Bruder an.
»Barbara!«, lallte er schließlich. »Das ist Barbara Glöckner!«
Stille senkte sich über sie. Niemand schien auch nur zu atmen. Poldi schlug sich die Hand vor den Mund, vielleicht aus Reue über seine Worte, vielleicht, weil Übelkeit hochstieg und er den Apfelwein gleich ausspeien würde. Christl warf dem Bruder giftige Blicke zu. Resa sah aus, als würde sie gleich weinen, Barbara starrte auf die Fußspitzen und Andreas auf seine Harmonika. Nur Taddäus lachte plötzlich auf – ein unerwarteter Ton, der alle zusammenzucken ließ. Taddäus lachte niemals.
»Wo er recht hat, hat er recht!«, rief er. In Elisas Ohren klang seine Stimme unnatürlich schrill, doch er hörte nicht zu lachen auf, zog unvermittelt Barbara an sich und forderte dann seinen Sohn zum Weiterspielen auf.
»Warum die Stille?«, rief er aufgeregt. »Ich dachte, wir wären zusammengekommen, um zu tanzen. Also tanzen wir!«
Er selbst tanzte allerdings nicht, sondern ließ Barbara augenblicklich wieder los, kaum dass Andreas das Spiel mit der Mundharmonika wieder aufgenommen hatte. Poldi indes stürzte nach draußen. Dafür, dass er eben noch so bedrohlich geschwankt war, gerieten seine Schritte erstaunlich entschlossen.
»Die frische Luft wird ihm guttun«, meinte Fritz so verächtlich, als wolle er ihm am liebsten auch ein paar tüchtige Hiebe angedeihen lassen. Anstatt Poldi zu folgen, wandte er sich an Resa und bat sie um einen Tanz, sichtlich nicht aus Lust, sondern aus Pflicht, das peinliche Gebaren des jüngeren Bruders wettzumachen.
Auch Lukas zog
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