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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Elisa nun wieder auf die Tanzfläche; einzig Viktor ließ sich kein zweites Mal dazu drängen, weder von seiner Schwester noch von Christl.
    »Sag, hat dein Bruder den Verstand verloren?«, fragte Elisa verwirrt. »Was ist nur in ihn gefahren?«
    Lukas antwortete nicht auf ihre Frage. Ungelenk zog er sie stärker an sich.
    »Ich wollte doch eben mit dir reden, wollte dich etwas fragen …«, setzte er an, als hätte es den unerfreulichen Auftritt seines Bruders nicht gegeben. »Am besten ich tu’s freiheraus und mach nicht viele Worte, denn das kann ich nicht.« Kurz kaute er auf den Lippen, ehe er sich ein Herz fasste.
    »Elisa«, fragte Lukas. »Elisa, willst du mich heiraten?«

    Die Nacht hüllte Poldi nach nur wenigen Schritten ein – kalt, feucht und windig. Er scherte sich nicht darum, sondern ging immer weiter, begann schließlich zu laufen und hieb seine Füße so fest in den Boden, dass kleine Brocken Erde hochstoben. In seinem Mund schmeckte es noch säuerlich, doch seine Trunkenheit war wie weggefegt, und zurückgeblieben waren nur Scham und Unbehagen. Ewig hätte er laufen wollen, aber plötzlich versank sein Fuß in einem Loch, und er landete unsanft auf dem Boden. Offenbar war er in einen der kleinen Kanäle geraten, die sie zwischen den Feldern gegraben hatten, um den sumpfigen Boden zu entwässern.
    »Verfluchtes Land!«, stieß er aus. Sein Knöchel schmerzte, sein Kopf noch viel mehr.
    »Verfluchtes Land!«
    Sein Fluch kam nicht aus ganzem Herzen, denn eigentlich lebte er gerne in Chile. Die Hoffnung, dass der Rücken seltener schmerzen würde, nachdem sie von Konrad geflohen waren, hatte sich zwar nicht bewahrheitet. Aber er mochte es, die meiste Zeit im Freien zuzubringen, wo es nie so bitterkalt wurde wie in der einstigen Heimat. Wenn er sich an diese erinnerte, sah er vor allem die dunkle, enge Stube vor sich, die ihm und seinen Geschwistern immer viel zu wenig Platz geboten hatte.
    Und in Chile – und dies war ohne Zweifel der wichtigste Unterschied – gab es Barbara. Barbara, um die sein Denken kreiste, Tag und Nacht, in letzter Zeit vor allem bei Nacht. Er träumte von ihr, träumte auf eine Weise, wie er sich bei klarem Verstand niemals gestattet hätte. Er träumte, wie sie mit ihm sang, wie sie mit ihm tanzte, wie sie ihn in ihren Armen wiegte, wie sie seinen Kopf zwischen ihren festen Brüsten barg, wie sie ihre Beine für ihn spreizte. Wenn er erwachte, glühte sein Kopf, troff Schweiß von der Stirn, und vor wenigen Wochen war es das erste Mal passiert, dass er in einer warmen, klebrigen Lache erwacht war. Steif war er gelegen, als sie immer klammer und klammer geworden war; sein Schweiß war verkrustet, seine hitzige Haut ausgekühlt, und er hatte geglaubt, vor Scham sterben zu müssen.
    Mühsam rappelte er sich nun auf. Seine Hosenbeine waren durchweicht. Seine Mutter würde wie üblich zetern, brächte er diesen Schlamm ins Haus, das sie verbissen sauber hielt.
    Er zuckte zusammen, als er Schritte hörte.
    Na großartig!, dachte er. Wahrscheinlich war Fritz ihm gefolgt, um ihn für sein ungebührliches Verhalten zur Rede zu stellen. Fritz, der stets glaubte, sich als Vater aufspielen zu können, vor allem nach Jakobs Unfall, und der meist nur dann mit seinen Geschwistern sprach, wenn er knappe, unfreundliche Befehle an sie austeilte.
    Poldi fluchte oft innerlich über ihn – sich offen zu widersetzen wagte er nicht. Jetzt dachte er allerdings trotzig: Ich bin sechzehn, ich bin selbst erwachsen. Er hat mir gar nichts zu sagen.
    Er straffte seinen Rücken und trat der Gestalt entgegen, um festzustellen, dass nicht der ältere Bruder mit verschränkten Armen vor ihm stand. Es war Barbara, die ihm gefolgt war und ihm wortlos zugesehen hatte, wie er sich mühsam aufrappelte.
    Eben noch hatte er stolz verkünden wollen, wie erwachsen er war – nun fühlte er sich jäh wie ein gemaßregelter Junge, obwohl noch kein Wort aus ihrem Mund gekommen war, sie nur nachdenklich den Kopf zu schütteln begann.
    Ärger überkam ihn, heftiger noch als die Scham.
    »Ich darf doch etwas Gutes über dich sagen, oder nicht?«, entfuhr es ihm.
    »Poldi …« Ihre Stimme klang rauh. War sie verärgert oder vielmehr nur verlegen?
    Er trat auf sie zu, und obwohl er sie nicht berührte, fühlte er die Wärme, die von ihrem Körper ausging. Mochten andere ihre Gestalt für dürr und sehnig halten, für ihn war sie weich und rund. Er hatte sie mit ihren Kindern beobachtet, wenn sie sie herzte und

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