Im Land der Feuerblume: Roman
die Ankömmlinge erblickte, sondern auch das breite Lächeln im Gesicht seines Vaters.
»Aber das sind doch …«, entfuhr es Gotthard.
Nun erhob sich Konrad endlich, zwar immer noch schwerfällig, jedoch mit sichtlich besserer Laune.
»Genau«, sagte er befriedigt. »Das sind Rothäute.«
Für gewöhnlich ließ er keine Gelegenheit aus, über die Mapuche mit ihren langen Haaren und wilden Gesichtern zu lästern, doch nun trat er ihnen entgegen, als wären sie lang ersehnte Gäste.
»Was wollen sie hier?«, fragte Gotthard und blickte misstrauisch auf die Männer, die eben von ihren Pferden sprangen.
»Kannst du dich nicht erinnern …«
Konrad lachte auf.
Die Geschichte war bis zu ihnen gedrungen und hatte ihn außerordentlich amüsiert. Einer der Rothäute, so hieß es, hatte kürzlich die Tochter eines deutschen Siedlers geschändet – zumindest behauptete man das, obwohl Konrad sich gut vorstellen konnte, dass das Mädchen eine Hure war und sich dem Lumpen freiwillig hingegeben hatte. Der Vater war jedenfalls prompt mit einem Gewehr in dessen Lager gegangen, hatte ihn bedroht und von dort verschleppt und schließlich im Wald aufgeknüpft. Das fand Konrad wiederum, ob es nun einen Schuldigen traf oder nicht, für gut und richtig: So gab es eben eine verfluchte Rothaut weniger auf dieser Welt. Franz Geisse gefiel diese Selbstjustiz der Weißen weitaus weniger. Nicht zum ersten Mal war es dazugekommen, auch wenn die Siedler für gewöhnlich den Raub von Vieh ahndeten, nicht die Schändung ihrer Frauen, die ein Einzelfall blieb. Eindringlich hatte Geisse das Verhalten des Siedlers getadelt – ihn dafür bestraft hatte er jedoch nicht. Wie sollte er auch?
Konrad lachte auf, als er Gotthard eben davon berichtete. Immerhin standen Geisse bloß zwölf Männer zur Verfügung, die ihm bei der Verwaltung halfen, doch die besaßen nicht einmal Waffen, um die Gesetze notfalls mit Gewalt durchzusetzen.
»Aber was machen nun diese Rothäute hier?«, fragte Gotthard immer noch verständnislos, nachdem Konrad geendet hatte. Die Mapuche waren zögerlich näher gekommen.
Konrad deutete auf einen von ihnen. »Das ist sein Bruder«, erklärte er knapp.
»Von Franz Geisse?«, fragte Gotthard fassungslos.
»Mein Gott, habe ich etwa den dümmsten Sohn der Welt gezeugt? Natürlich ist das nicht der Bruder von Franz Geisse, sondern von jener Rothaut, die der Siedler aufgeknüpft hat.«
»Und was hast du mit ihm zu schaffen?«
»Hehe!« Trotz der Verärgerung über den begriffsstutzigen Sohn kicherte Konrad. »Ich werde diesem Mann hier die Möglichkeit geben, sich zu rächen – an den bösen Weißen nämlich, die sein Land besetzt haben.«
»Aber dazu gehören wir doch auch!«
Schlagartig wurde Konrad Weber wieder ernst. Sein Blick fiel auf die gepackten Kisten. »Jetzt nicht mehr«, knurrte er knapp.
Der Mann hatte kalte, schwarze Augen, die verglühender Kohle glichen – noch heiß, wenn man sie anfasst, aber nicht mehr fähig, zu wärmen. Sein Kinn war stolz gereckt, jede Faser seines Körpers angespannt.
Armseliges Pack, dachte Konrad, während er ihn eingehend musterte. Da glaubt dieser Idiot doch tatsächlich, er könne sich Hass und Wut noch leisten!
In Wahrheit war sein Kampf doch längst verloren – ähnlich wie seiner.
Konrad ließ sich jedoch nichts von seinen Gedanken anmerken, sondern setzte ein joviales Grinsen auf.
»Ich weiß, dass man deinen Bruder aufgehängt hat.« Er klang ehrlich bedauernd, machte dann eine kurze Pause und fügte nicht minder bedauernd hinzu: »Und ich weiß auch, dass das zu Unrecht geschah.«
Genau betrachtet log er nicht einmal. Wenn das Mädchen tatsächlich geschändet worden war, konnte es genauso gut ein herumstreunender Spanier gewesen sein, kein Mapuche – Pack waren schließlich die einen wie die anderen.
»Und vor allem«, ergriff er wieder das Wort, »vor allem weiß ich, wer es getan hat.«
Die Augen der Rothaut blieben starr auf ihn gerichtet. Täuschte er sich oder hatte er ein Glimmen darin wahrgenommen?
Konrad war sich sicher, dass der Mann ihn ebenso verachtete wie er ihn, aber das spielte für seinen Plan keine Rolle.
»Es sind dieselben, die euch Mapuche das Land weggenommen haben.«
Von wegen!, dachte er im Stillen. Viele der Deutschen waren schließlich dumm genug gewesen, sich mit Gebieten abspeisen zu lassen, die völlig unbesiedelt gewesen waren, die folglich weder die Indianer noch die spanischen Hacienderos je gewollt hatten. Wäre
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