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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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er knöcheltief im Schlamm versank, kaum, dass sie nach vielen langen Stunden endlich anlegten. Alles erschien ihm leicht, seitdem er ein klares Ziel vor Augen hatte, er wieder und wieder den Brief gelesen hatte, den Elisa ihm geschrieben hatte, und der Onkel ihm nicht mehr mit zeternder Stimme in den Ohren lag.
    Bei der Überquerung des Sees hatte er kaum den Blick gehoben; am Ufer sah er nun ehrfürchtig zu den Vulkanen, die die Ostseite säumten: den Osorno, der sein weißes Bild weit auf den blauen Spiegel warf, und die lotrecht ins Wasser stürzenden Felswände des Pichijuan. Grünlich schimmerte das Wasser, wo der Wald bis zum Ufer reichte. Dort, wo Quidel angelegt hatte, war dieses längst gerodet worden. Braune Erde klaffte an einigen Stellen, andere waren mit Asche bedeckt; mancherorts wuchs noch Gestrüpp und rankten sich Wurzeln über kaum vorhandene Wege. In der Ferne vermeinte er, eine Rauchsäule zum Himmel steigen zu sehen.
    Noch ehe er die ersten Häuser erspähte, machte er eine Gestalt aus. Sie kam näher, langsam, vorsichtig zunächst, dann immer schneller. Er glaubte, sie etwas rufen zu hören – etwa seinen Namen?
    »Mein Gott!«, entfuhr es ihm. Bis zu diesem Augenblick hatte er daran gezweifelt, dass sie die Siedlung tatsächlich so schnell finden würden. »Mein Gott! Ich kenne dieses Mädchen … Das ist doch …«
    Sie blieb stehen, erwartete nun offenbar von ihm, dass er näher kam. Er fiel fast über die eigenen Füße, als er auf sie zurannte. Vieles an ihr war vertraut – und ebenso vieles fremd. Sie war dürr wie einst, aber viel größer; ihre Haare waren immer noch fast weiß, nur zerzauster. Die Kleidung, die sie trug und aus der sie längst herausgewachsen war, war die eines kleinen Mädchens: Ihr Rock reichte kaum über die Knie, die Ärmel ihrer Bluse nur bis zu den Ellbogen. Nun hatte er sie erreicht und starrte in ihr Gesicht. Es war blass, die Haut so dünn, dass dunkle Adern hervortraten. Er fand, dass sie elend aussah, doch das Lächeln, zu dem sich ihre Lippen verzogen, verlieh ihren Zügen ein Strahlen.
    »Greta?«, fragte er.
    Sie warf einen Blick über ihre Schultern, als hätte sie Angst, bei etwas Verbotenem ertappt zu werden. Ob sie und ihr Bruder immer noch unter der Fuchtel des strengen Vaters standen?
    »Es ist gut, dass du wieder da bist«, sagte sie leise. Gleichwohl ihre Worte und auch ihr Lächeln nichts anderes verhießen, klang ihre Stimme nicht begeistert oder freudig, sondern ausdruckslos. »Ich habe nicht vergessen, dass du dich auf dem Schiff um uns gekümmert hast«, fügte sie hinzu. »An dem Tag, an dem Vater Viktor blutig geschlagen hat.«
    Er wusste nicht, ob er ihr die Hand reichen oder sie gar umarmen sollte, und blieb steif vor ihr stehen, da auch sie nichts tat, um die letzte Distanz zu überbrücken.
    »Du bist so groß geworden, Greta, und so …« Er brach ab, nein, runder und kräftiger als früher war sie nicht.
    Sie lächelte immer noch, doch es wirkte nicht mehr strahlend, sondern traurig. Und noch ein anderes Gefühl mischte sich darein, das er nicht deuten konnte. Spott? Verachtung? »Du kommst zur Hochzeit, nicht wahr?«, meinte sie.
    »Zu welcher Hochzeit?«
    »Viktor will nicht, dass ich hingehe. Viktor will, dass ich bei ihm bleibe.« Die Traurigkeit verstärkte sich; zugleich flackerte ein Triumph auf, den er sich nicht erklären konnte. Verständnislos blickte er auf sie herab.
    »Mir ist es nicht so wichtig«, sagte sie rasch.
    »Was?«
    Obwohl die Sonne hoch am Himmel stand, es ein klarer, heißer Tag war und er beim Rudern kräftig ins Schwitzen geraten war, wurde ihm plötzlich kalt.
    »Nun, dass Elisa heiratet, wusstest du das nicht? Den zweiten der Steiner-Söhne. Lukas. Ich glaube, er ist der richtige Mann für sie.« Altklug klang sie, als sie seinen Traum zertrümmerte. Und zugleich wich die Traurigkeit nicht aus ihrer Miene – ebenso wenig wie der leise Triumph.

    Cornelius stürmte zum Haus der von Grabergs. Es gab keine Kirche, weswegen die Trauung dort stattfand, und es gab auch keinen Pastor, weshalb Taddäus Glöckner ihnen das Eheversprechen abnahm. So hatte es Greta berichtet. Noch mehr wollte sie ihm sagen, doch da war er schon davongelaufen, so schnell, dass ihm selbst Quidel kaum folgen konnte. Seine Hose riss, als er an einer dornigen Ranke hängen blieb, Steinchen, die in seine Schuhe gerutscht waren, trieben sich spitz in seine Fersen. Er achtete nicht darauf, sondern verlangsamte seine Schritte erst,

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