Im Land der Feuerblume: Roman
zu Elisa, aber er konnte es nicht.
Da sprach ein anderer an seiner statt, Poldi, der forsche Junge vom Schiff, nun ein erwachsener Mann, breitschultrig und hochgeschossen. Seine Stimme klang krächzend, sein Blick war umwölkt.
»Das soll nicht die letzte Hochzeit sein in diesem Jahr!«, verkündete er. »Ich habe Theresa Glöckner gefragt, ob sie mich heiraten will, und sie hat eingewilligt, meine Frau zu werden.«
Aus den Augenwinkeln nahm Cornelius wahr, dass Poldi ein unscheinbares Mädchen nach vorne zog. Er beachtete es nicht, konnte nun, da Lenerl wieder zur Seite getreten war, den Blick nicht von Elisa lassen. Doch sie, die ihn eben noch angestarrt hatte, so reglos, so hoffnungslos, so tot, senkte den ihren. Er sah, wie ihre Mundwinkel zitterten, doch sie hörte nicht zu lächeln auf, als sie an der Seite ihres frischgebackenen Gemahls weitere Glückwünsche entgegennahm.
DRITTES BUCH
Feuerblume
1863 – 1864
23. KAPITEL
A ls Konrad Weber dem Hämmern lauschte, hatte er das Gefühl, sein eigener Sarg würde zugenagelt werden.
Er rührte keinen Finger, um Gotthard zu helfen, sämtlichen Besitz für die Reise einzupacken, sondern hockte nur mürrisch da. Doch anstatt dem Sohn dankbar zu sein, hätte er ihn am liebsten geschlagen, als dieser aufblickte und verkündete: »Das war die letzte Kiste.«
Eben noch war ihm das Hämmern unerträglich gewesen, nun schmerzte die Stille erst recht in seinen Ohren.
»Gut«, knurrte er. »Ich kann es kaum erwarten, dieses verfluchte Land zu verlassen! Endlich!«
Seine Trägheit strafte seine Worte Lügen. Er blieb weiterhin sitzen – so wie er in den letzten Jahren meist faul herumgelungert war. Er hatte sich nicht einmal dazu aufraffen können, zur Jagd zu gehen, obwohl das immer seine größte Leidenschaft gewesen war.
Gotthard trat unschlüssig vor ihn.
»Und nun, Vater?«
»Ach, lass mich doch in Ruhe! Lasst mich alle in Ruhe!«, herrschte er seinen zweiten Sohn an. Gotthard nahm schweigend eine der Kisten und trabte mit hängenden Schultern nach draußen.
Konrad seufzte, als er ihm nachblickte.
Moritz, sein ältester Sohn, der sich in den letzten Jahren immer aufmüpfiger gebärdet hatte, hatte Chile schon vor einer Weile verlassen. »Was soll ich hier?«, hatte er ihm beim letzten Gespräch an den Kopf geworfen. »Du glaubst doch nicht, dass wir hier noch eine Zukunft haben? Der Boden der Hazienda ist völlig ausgelaugt, weil du dich nicht genügend um die Landwirtschaft gekümmert hast! Und wir werden nie erleben, dass irgendwann deine Straße von Melipulli nach Valdivia führt und darauf obendrein deine Eisenbahn fährt! Andere werden diese bauen, nicht du. Du hast verloren, Vater!«
Konrad hatte es nicht zugegeben, aber dass Moritz ihn verließ, hatte ihn schwer getroffen. Es schien ihm wie der letzte Akt eines zwar schleppenden, aber unvermeidbaren Niedergangs.
Begonnen hatte dieser damit, dass ihm die Arbeiter fehlten. Nicht nur, dass mehr und mehr Siedler von seiner Hazienda geflohen waren – es war auch schier unmöglich, neue aufzugreifen. In den ersten Jahren, da sich keiner der deutschen Kolonisten annahm, hatte er sie mit seinen leeren Versprechungen mühelos ködern können. Weder Peres Rosales noch Jakob Foltz, der kurzzeitig für die Deutschen zuständig gewesen war, schafften es, ihre Versorgung und die Landverteilung anständig durchzuführen. Doch seit Franz Geisse für Peres Rosales arbeitete, hatte sich alles verändert – für die Kolonisten verbessert, für ihn verschlimmert.
Franz Geisse machte aus dem sumpfigen Melipulli einen blühenden Ort, der mittlerweile nicht mehr Melipulli, sondern nach dem chilenischen Präsidenten Puerto Montt hieß. Er wies den Neuankömmlingen reichlich Land zu und alles, was sie brauchten, es urbar zu machen. Und er riss die Organisation des Straßenbaus an sich.
»Keinen Meter Wald schlagen Sie mehr, Herr Weber, ohne dass ich davon weiß und zugestimmt habe.« Das hatte Geisse verächtlich zu Konrad gesagt – damals, als der noch gehofft hatte, mit Geisse gemeinsame Geschäfte machen zu können. Aber diesem Geisse ging es ja nicht ums Geldverdienen. Er war ein verfluchter Idealist!
Gotthard schleppte sämtliche Kisten allein nach draußen.
»Was ist nun, Vater?«
Konrad rührte sich nicht.
»Kommst du?«
»Nein, ich habe noch etwas zu tun.«
»Aber …«
Gotthard verstummte, als plötzlich Hufgetrampel laut wurde. Verwirrung breitete sich in seinem Gesicht aus, als er nicht nur
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