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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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den Wald durchquert und die Rodungsgrenze erreicht. Von hier aus hatten sie freien Blick auf den Besitz der von Grabergs, auf die Schule von Jule in unmittelbarer Nachbarschaft und auf die Parzelle der Steiners, die rechts an die der von Grabergs anschloss. Nicht zu sehen war das Haus von Greta und Viktor, das im äußersten Westen der Siedlung lag. Vom Grund der Glöckners, der zur linken Seite der von Grabergs begann, ließ sich nur das Dach des Wohnhauses ausmachen, von Cornelius’ Besitz – ein schmaler Streifen Grund zwischen der Parzelle der Mielhahns und der Steiners – lediglich der Zaun.
    Das Getrampel der Pferde ließ den Boden vibrieren; die spitzen Schreie schmerzten in ihren Ohren.
    »Mein Gott!«, schrie Barbara wieder, als sie sahen, wer die Reiter waren, die die Häuser umkreisten, und was sie in ihren Händen trugen.
    Poldi erstarrte, indessen sie weiterlief – es zumindest versuchte. Nach wenigen Schritten löste sich ihre Schürze, die sie nur unzureichend gebunden hatte, sie stolperte darüber, fiel hin und rollte über den Hang. Poldi stürzte ihr nach und beugte sich über sie. »Hast du dich verletzt?«
    »Mein Gott … sie sind doch alle noch dort …«
    Kurz begriff er nicht, was sie meinte. Dann fiel ihm ein, dass sämtliche Siedler bei den von Grabergs versammelt waren, um die Einweihung von Jules Schule zu feiern. Doch es war zu spät, sie zu warnen, viel zu spät.

25. KAPITEL
    S ie tauchten wie aus dem Nichts auf, kamen von allen Seiten. Vollkommen lautlos mussten sie sich der Siedlung genähert haben, um dann in ein furchtbares Geschrei auszubrechen. Ehe Elisa die unbekannten Angreifer sah, dachte sie noch, es seien Kinder, die jenen Lärm erzeugten, nicht die eigenen zwar, die dafür noch zu klein waren, aber die von der Tiroler Nachbarsiedlung.
    Doch dann sah sie den ersten Reiter auf sich zukommen, und im nächsten Augenblick stand sie in einer Wolke Federn. Ein kopfloses Huhn tat vor ihr seine letzten Schritte, ehe es zuckend liegen blieb. Es waren die Reiter, die das Geflügel meuchelten – eins nach dem anderen. Manche teilten die Hiebe ihrer Waffen vom Pferderücken aus, andere, nachdem sie wendig abgesprungen waren.
    Elisa fühlte im ersten Augenblick keine Angst, nur Empörung darüber, was man da ihren Hühnern antat – jenen Hühnern, die sie von Konrad gestohlen und durch den Urwald geschleppt hatten, deren Eier in der schwierigen Anfangszeit ein so kostbares Gut gewesen waren und deren Küken der kleine Ricardo liebte.
    Als die Federn auf sie herabgeregnet waren, begriff sie immer noch nicht, was genau geschah – und warum. Die schreienden Männer zerstörten, was ihnen in die Hände fiel, töteten nicht länger nur die Hühner, auch die Gänse und Enten, mit hasserfüllten und wutverzerrten Gesichtern.
    Elisas Denken lahmte. So viel Fleisch, dachte sie, als sie verständnislos auf die toten Tiere starrte, so viel Fleisch. Niemals können wir es alles essen, es wird verderben, wie schade darum …
    Das Gejohle wuchs an, wurde von schrillen Pfiffen durchsetzt, die wie Kriegsrufe klangen. Sie glaubte, ihre Ohren müssten bersten, nur plötzlich verlosch jeder Ton. Nicht, weil die Männer aufgehört hatten, zu schreien. Sie sah immer noch die geöffneten Münder, sah, wie die Pferdehufe die Erde aufwirbelten. Aber der Schock ließ ihr Blut so laut rauschen, dass sie taub für alles andere wurde, gefühllos auch und starr, vor allem, als sie zusehen musste, wie die Reiter vom Geflügel abließen, um nun die Weizenfelder zu zertrampeln. Umsonst … alles umsonst.
    Wie viele Stunden Arbeit wurden mit einem Schlag zunichtegemacht! Stunden, da sie dem Urwald den Boden abgerungen hatten, da sie die Wurzeln verbrannt und die verkohlten Reste fortgetragen hatten, da sie den Boden mit dem Pflug bearbeitet und schließlich das Korn, Kartoffeln und Grassamen auf den mit Asche gedüngten Boden gestreut hatten. Stunden schließlich, da sie das Getreide wachsen sahen, stolz des Augenblicks harrend, da sie es mit der Sichel ernten und es auf freiem Feld dreschen würden. So ertragreich wie in den letzten Jahren versprach die Ernte auch in diesem Jahr zu werden – und alle Mühen wettzumachen: die Schmerzen im gekrümmten Rücken, die schwieligen Hände, die von der Sonne gegerbte Haut.
    Doch nun: umsonst … alles umsonst.
    Größer noch als der Kummer um die zerstörte Ernte war der Schrecken, als Elisa plötzlich Rauch in die Nase stieg. Sie schrie auf – es war dies

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