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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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versteckt?
    Wieder begann sie, um sich zu treten, und kurz schien ihr Trachten Erfolg zu haben: Der Angreifer ließ sie los, und für einen Augenblick sah sie in ein vernarbtes Gesicht, in das dunkles, geflochtenes Haar fiel. Doch kaum war sie einige Schritte von ihm fortgerobbt, packte er sie abermals, diesmal, um ihr die Hände mit Hanfstricken zusammenzubinden. So fest schnürte er sie zu, dass sie ihre Finger nicht mehr fühlte. Sie konnte kaum mehr etwas sehen, denn vom Kuhstall zog eine Rauchwolke zu ihr, dick und beißend, und jetzt ging ihr auch auf, dass die Kühe nicht mehr schrien. Hatte man sie in Sicherheit gebracht? Oder waren sie verbrannt?
    Der Mann zog sie zu einem Pferd. Hier war die Luft noch nicht rauchverpestet, und Elisa hatte freie Sicht auf die Schule, die bis jetzt noch nicht die Aufmerksamkeit der Angreifer auf sich gezogen hatte.
    Sie betete inständig, dass dies so bliebe, denn nun sah sie, dass Jule und Christine sich dort versteckten. Genauer gesagt, versteckte sich nur Jule, während Christine vom Gebäude wegstürzte. Sie kam nicht weit. Nach wenigen Schritten rannte Jule ihr nach, packte sie und zog sie zurück. Die Münder der beiden Frauen standen weit offen. Sie schrien miteinander, wie sie trotz aller Streitereien noch nie geschrien hatten. Elisa konnte ihre Worte nicht verstehen, nur sehen, dass Jule sich durchsetzte und Christine hinter die rettende Wand zerrte.
    Die beiden Frauen waren in Sicherheit – doch als Elisa ihren Kopf umdrehte, erfasste sie ein eisiger Schreck. Wieder verstummte alles in ihr, das schrille Rufen der Angreifer und das Knacken des brennenden Holzes, abermals blieb nur das Rauschen des eigenen Bluts zurück. Lukas lag da auf dem Boden, reglos wie ihr toter Vater.
    »Lukas …« Ihr Mund formte die Silben seines Namens, aber in diesem Augenblick warf der Mann sie über den Pferderücken, und sie sah nur mehr die aufgewühlte Erde, über der bedrohlich nahe ihr Kopf baumelte.
    »Lukas …«
    Hektisch zerrte der Mann an den Zügeln seines Pferdes, und als es ihr endlich gelang, sich ein wenig aufzurichten, erkannte sie auch den Grund für seine Eile. Bis jetzt waren die Angreifer auf nur wenig Gegenwehr gestoßen – nun erhob sich Widerstand. Endlich kam Hilfe – von Barbara und Poldi, Fritz und Andreas, Taddäus und ein paar Männern aus den Nachbardörfern, die sich mit allem bewaffnet hatten, was ihnen in die Hände gefallen war: Äxten und Macheten, Sensen und Hacken. Sie sah, dass einer von ihnen einen der Angreifer vom Pferd zerrte und auf ihn einschlug.
    »Die Kinder!«, schrie Elisa Barbara zu. »Schau nach meinen Kindern!«
    Sie war sich nicht sicher, ob sie gegen das laute Kampfgeschrei ankam. Im nächsten Augenblick konnte sie nichts mehr rufen. Der Mann schlug ihr auf den Kopf, schwang sich hinter ihr aufs Pferd und trieb es noch ungeduldiger an.
    Er wird nicht weit kommen, hoffte Elisa, die Zäune werden ihn aufhalten … die Zäune, die sie in den letzten Jahren aus Stämmen und Buschwerk so mühsam aufgebaut hatten. Doch er ritt weiter und weiter, ohne auf ein Hindernis zu stoßen. Wahrscheinlich hatten er und seine Männer die Zäune niedergerissen, bevor sie in das Dorf stürmten.
    Aber Fritz und Poldi, tröstete Elisa sich, Fritz und Poldi werden sie aufhalten … oder Lukas …
    Aber nein, Lukas lag ja da … reglos wie ihr Vater. War er tot wie er?
    Noch lauter als das Geschrei war nun das Klirren von Sicheln und Messern. Sie versuchte, einen letzten Blick auf Lukas zu erhaschen, doch sie sah nicht ihn, sondern einen anderen blutüberströmt dort liegen – Taddäus Glöckner.
    Mein Gott, sie töten alle Männer!
    Da war das Letzte, was sie dachte. Sie erhielt erneut einen Schlag auf den Kopf, wohl, damit sie endlich stillhielt. Diesmal fiel er so hart aus, dass ihre Welt in Schwärze versank.

    Als Elisa zu sich kam, lag sie immer noch quer über dem Pferderücken. Jeder Schritt, den das Tier tat, versetzte ihr einen schmerzhaften Schlag in die Magengrube. Sie wusste nicht, was schlimmer war: die Übelkeit, die in ihr hochstieg, oder die schmerzende Brust, als der Atem knapper wurde.
    Sie musste alle Kräfte zusammennehmen, um den Kopf zu heben. Zunächst sah sie nichts weiter als die Füße fremder Männer, die mit staubigen Ledersandalen bekleidet waren. Mit Ächzen richtete sie sich noch weiter auf, erblickte nun das zottelige lange Haar, das den Männern über ihren Rücken fiel und von Silberbändern gehalten wurde, und

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