Im Land der Feuerblume: Roman
Stroh verkleidet waren und der Boden mit Ledermatten ausgelegt. Von außen war ihr die Ruca riesig erschienen, doch das Innere war durch dünne Holz- oder Weidenstellwände in mehrere Räume unterteilt, so eng und klein, dass sich höchstens vier Menschen zugleich darin befinden konnten. Im Raum neben ihnen musste ein Feuer brennen, denn nicht nur Hitze hüllte sie ein, sondern auch dichter Rauch.
Magdalena blickte sich ebenso angespannt um wie sie, nur das Katherl sank müde auf den Boden. Sämtliches Gekicher und Gerufe war verstummt.
»Gott sei Dank, dass wir zusammen sind«, seufzte Elisa.
Sie zuckten beide zusammen, als Licht auf sie fiel. Jemand hatte den Ledervorhang, der die Ruca verschloss, zur Seite geschoben, und trat herein. Doch zu ihrer Erleichterung war es keiner der finsteren Männer, sondern eine Frau, die sie zunächst neugierig betrachtete, dann aber ihren Blick sinken ließ und sich vermeintlich gleichgültig gab.
Nachdem sie sich abgewandt hatte, musterten Elisa und Magdalena die Frau ihrerseits. Um ihren Körper war ein quadratisches Tuch aus rauher Schafwolle gebunden, das eine leuchtende Schärpe über der linken Schultern zusammenhielt. Darunter trug sie enganliegende Leibkleider aus Leder; die Arme waren nackt. Wie manche der Männer hatte sie um die Stirn ein Band gebunden. Außerdem waren die dunklen Haare zu vielen kleinen Zöpfen geflochten und wurden mit einer silbrig glänzenden Spange zusammengehalten. Die Schärpe an der Schulter war nicht der einzige Schmuck – zudem trug sie Armreifen, Ketten und Ringe.
Nun trat sie an die Wand und nahm etwas von einem Haken. Erst jetzt sah Elisa, dass Tontassen, Krüge und Werkzeuge dort aufgehängt waren, außerdem weitere Kleidungsstücke und Decken. Es war eine Art Zange, die sie an sich nahm und mit der sie im Boden scharrte. Zunächst begriff Elisa nicht, was sie damit bezweckte – dann sah sie, dass an dieser Stelle ein Loch in den Boden gegraben worden war. Köstlicher Geruch stieg hervor, als die Frau zunächst eine steinerne Platte fortschob, dann einige gegarte Blätter der Nalca-Pflanze, die auf einen heißen Stein geschichtete Kartoffeln und Fleisch bedeckten.
Elisas Magen knurrte.
»Bitte … bitte … wir müssen etwas essen.«
Die Frau blickte hoch und hatte erneut darum zu kämpfen, ihre Neugierde zu zügeln. Unauffällig huschte ihr Blick zunächst über Elisa, dann über Magdalena. Schließlich gab sie ihnen etwas zu essen, jedoch kaum etwas von dem Fleisch, stattdessen große Blätter, die mit senfkorngroßen Samen gefüllt waren. Sie schmeckten fremd, aber Elisa würgte sie gierig herunter.
Nachdem der ärgste Hunger gestillt war, erwachten neue Lebensgeister – und Furcht. Magdalena rückte näher zu ihr heran und nahm ihre Hand. »Was werden sie nur mit uns tun?«, stellte sie jene Frage, die sie bis jetzt eisern gemieden hatten.
Trotz der Hitze fröstelte Elisa. »Der Mann, der mich vom Pferd riss, scheint voller Hass auf uns zu sein.«
»Aber am Ende hat er uns nichts getan, sondern sich dem Alten gebeugt.«
»Vielleicht hat er eigenmächtig unsere Siedlung überfallen, ohne Zustimmung des … des …« Elisa versuchte, sich daran zu erinnern, was Quidel ihnen einst über sein Volk erzählt hatte und wie der Ranghöchste eines Dorfes hieß. Es fiel ihr nicht ein. »Nun … dieser Alte scheint nicht so böse und wutentbrannt zu sein. Vielleicht, vielleicht lässt er uns wieder nach Hause gehen.«
Elisa hatte hoffnungsvoller klingen wollen, als ihr zumute war.
»Vielleicht«, sagte Magdalena knapp, ehe sie ihre Hand losließ und die eigenen Hände zum Gebet faltete.
In den nächsten Stunden murmelte sie stets vor sich hin. Das Katherl war längst eingeschlafen. Elisa hingegen fand keine Ruhe. Das monotone Flüstern von Magdalena beschwichtigte sie nicht, sondern wühlte sie auf.
»Das Gebet gibt dir Kraft, nicht wahr?«, stellte sie schließlich fest, fast neidisch, dass die andere etwas fand, was dem zermürbten Geist Ruhe schenkte, während sie in der Enge der Ruca zu ersticken glaubte.
Magdalena blickte langsam auf. »Wenn ich bete, dann erscheint alles andere als so bedeutungslos.«
»Alles? Wirklich alles?«
Magdalena antwortete nicht darauf. »Ich habe früher immer bedauert, dass wir protestantisch und nicht katholisch sind. Ich habe mir manchmal ausgemalt, Nonne zu werden.«
»Du wolltest in ein Kloster gehen?«, rief Elisa überrascht. »Möchtest du denn nicht heiraten?«
»Heiraten?
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