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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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geendet hatte.
    Ja, nur sie würden es wissen, dass Viktor sich erhängt hatte, sie und Cornelius.
    Cornelius, der sich um sie kümmerte. Nur um sie, um sie ganz allein.
    »Warum?«, fragte er später, als er wiederkehrte, nass, schmutzig und durchgefroren. »Warum hat er das nur getan?«
    Greta hatte sich nicht von der Stelle gerührt, während er fort war.
    »Er fühlte sich so einsam«, sagte sie leise. »Er war nicht ganz richtig im Kopf.«
    Sie schwieg, und er begnügte sich mit den knappen Worten, anstatt nachzubohren.
    Das war gut. Cornelius durfte einen Teil, jedoch nicht die ganze Wahrheit wissen, sonst würde er nicht mehr für sie sorgen – nur für sie, für sie ganz allein.
    »Halt mich!«, murmelte sie. »Bitte halt mich!« Und Cornelius hielt sie ganz fest.
    Viktor hatte sich auch gewünscht, dass sie ihn halten möge, aber Viktor hatte sie diese Nähe nicht gewährt. Sie hatte ihn von sich gestoßen, immer und immer wieder.
    »Was hast du nur getan?«, hatte sie ihn angeschnaubt – damals, an jenem Tag, da er sie mit Gewalt genommen hatte.
    Immer wieder hatte sie das gefragt: Wie konntest du nur? Was bist du für ein Mensch? Wie erbärmlich muss jemand sein, der das tut?
    Anfangs reagierte er störrisch, später ärgerlich, schließlich gab er sich der Verzweiflung hin.
    »Ich wollte das nicht, ich wollte das nicht!«, rief er ein ums andere Mal. Sogar vor ihr hingekniet hatte er sich, um ihre Vergebung zu erbetteln.
    Spöttisch grinsend hatte Greta auf ihn herabgestarrt. »Du bist krank, Viktor, du bist krank im Kopf. Warum lebst du überhaupt noch?«
    Jedes Mal, wenn er sie anflehte, ihm zu verzeihen und ihn zu halten, fragte sie das. Schließlich nahm er den Strick und erklärte, er würde sich aufhängen.
    Weiterhin hatte sie spöttisch gegrinst. »Das traust du dich nie und nimmer«, hatte sie kühl erklärt.
    »Ich habe auch Vater getötet!«
    »Aber nicht, weil du es wolltest. Ich habe dir das damals befohlen.«
    »Aber du hast mir nicht befohlen, dass ich dich … dass ich dich …« Er konnte das Schreckliche, das er ihr angetan hatte, nicht aussprechen.
    Da sagte sie kühl: »Du hättest es nicht gekonnt, wenn ich mich wirklich gewehrt hätte.«
    Entsetzt starrte er sie an: »Aber warum hast du es nicht getan? Warum lässt du mich leben mit dieser Schuld?«
    Sie antwortete nicht darauf. »Du widerst mich an, Viktor. Du bist ein erbärmlicher Schwächling.« Und dann hatte sie noch einmal gefragt: »Warum lebst du überhaupt noch?«
    Sie war sich nicht sicher gewesen, ob es ihm gelingen würde, aber schließlich hatte er sich erhängt, und sie hatte seelenruhig dabei zugesehen. Als es vorüber war, hatte sie nicht gewusst, ob sie lachen oder weinen sollte, und schließlich beides unterlassen. Nun lachte sie nicht, sondern weinte, weinte stundenlang in Cornelius’ Armen – Cornelius, der sie tröstete und der sie nicht losließ und der für sie da war, nur für sie, für sie ganz allein.

33. KAPITEL
    D er August war verregnet, aber nicht mehr so kalt, und als die Männer diesmal aus Puerto Montt zurückkehrten – dass sie ohne Lukas aufgebrochen waren, hielt allen schmerzhaft sein Fehlen vor Augen –, hatten sie einige Hühner bei sich, einen mageren, aber kräftigen Ochsen, drei große Säcke Getreide und ebenso viel Mais.
    Annelie kümmerte sich um die Hühner und war sorgsam darauf bedacht, mit den Eiern sparsam umzugehen. Einzig Greta bekam ungewöhnlich großzügige Mengen davon. Wie alle anderen sprach sie von der »armen Greta«, nachdem sich herumgesprochen hatte, dass ihr Bruder von einem Baum erschlagen worden war. Cornelius hatte ihn gefunden, erzählte man sich, und der Unglückliche hätte einen so grauenhaften Anblick geboten, dass Cornelius rasch einen Sarg gezimmert und ihn mit Gretas Hilfe hineingelegt hatte, um die anderen davor zu bewahren.
    Elisa hatte keine Kraft, zum Begräbnis zu gehen, bei dem, wie sie später erfuhr, ein jeder versuchte, sich ein freundliches Wort über den sonderlichen Viktor abzuringen, aber es den wenigsten gelang, aufrichtig zu klingen. Sie hatte auch keine Kraft, Greta zu bedauern, von der man sagte, dass sie sich trotz des großen Leids großartig hielt. Und sie hatte keine Kraft, darüber nachzudenken, warum ausgerechnet Cornelius Viktor gefunden hatte.
    Sie, der es nie an Tüchtigkeit gemangelt hatte, saß nun stundenlang in der Stube, starrte vor sich hin und rührte sich kaum. Mit sorgenvollem Blick stand Annelie oft neben ihr,

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