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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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wahr, du hast einfach darauf gewartet, dass ich daniederliege? Und du musstest nicht sonderlich lange warten. Schamlos ausgenutzt hast du es, dass mir dieser Mapuche beinahe Gewalt angetan hat. Was muss es für ein Triumph gewesen sein, dass ich dir danach willig in die Arme sank! Und erst als Ricardo starb, wie leicht war es da für dich, den Tröstenden zu spielen!«
    Sie verhaspelte sich an ihren Worten – Worten, denen sie im Stillen selbst heftig widersprach. Ich habe ihn doch zuerst geküsst, dachte sie, ich habe ihn gewollt, ich habe ihn geliebt, ich liebe ihn immer noch, und von allem tut das am meisten weh.
    Doch das konnte sie nicht sagen, nicht das.
    »Sei wenigstens jetzt kein Schwächling, Cornelius, sondern ein Mann. Komm mir nicht nachgekrochen, sondern geh! Geh endlich! Verschwinde aus meinem Leben! Erinnere mich nie daran, was wir getan haben, nie, nie, nie!«
    Erst jetzt bemerkte sie, dass sie aufgesprungen war, während sie erbarmungslos auf ihn einhackte. Unmerklich war er zurückgewichen. Der Blick, der sie traf, wirkte erloschen, und noch schlimmer war, dass er nichts sagte.
    »Geh!«, schrie sie wieder. »Geh, und komm nie wieder zurück!«
    »Ich … ich wollte dir nie weh tun, Elisa, nie, das musst du mir glauben.«
    Er sprach so leise, dass sie nicht wusste, ob sie ihn richtig verstanden hatte. Dann drehte er sich um und folgte ihrem Befehl.
    Nicht!, wollte sie ihm nachrufen, als sie hörte, wie er die schmale Holzleiter herunterstieg. Nicht! Es tut mir leid! Ich meinte es nicht so! Ich liebe dich doch!
    Aber ihre Kehle war wie ausgedörrt; sie konnte kein weiteres Wort hervorbringen, und dann waren seine Schritte verstummt. Kraftlos sank sie in sich zusammen. Sie mied das Bett, ließ sich einfach auf den Holzboden fallen, und dort lag sie immer noch, als spät am Abend Annelie zu ihr hochstieg und ihr etwas zu essen brachte.

    Der Nebel hatte sich verdichtet, wofür Cornelius dankbar war. Er war sich sicher, dass er keine Sonne, und wäre sie noch so schwach, ertragen würde, als er vom Haus der von Grabergs wegging. Er setzte Schritt vor Schritt, gleichgültig, in welche Richtung er ging, gleichgültig, dass er mehrmals ausrutschte und fast in den Matsch fiel.
    Tief in ihm drinnen pochte eine strenge Stimme darauf, dass er sich nicht gehen lassen, nicht fallen durfte – weder kraftlos zu Boden noch in tiefes Selbstmitleid. Doch er schaffte es nicht, die Dämonen seiner Jugend zurückzuweisen, die ihn hinter dem trüben Licht belauerten; er konnte der Melancholie nicht Herr werden, die die ganze Welt in einem lustlosen Grau zerrinnen ließ und sämtliche Farben schluckte wie der Nebel.
    Ich bereite den Menschen nur Kummer, ich bringe ihnen Unglück. Meiner Mutter, Matthias, Onkel Zacharias … nun auch Elisa …
    Er wusste, dass es falsch war, die Schicksale dieser Menschen miteinander zu verknüpfen. Mit seiner Mutter hatte er vor dem Tod gestritten, aber an Matthias’ traurigem Ende traf ihn keine Schuld. Elisa hatte er womöglich Unrecht getan, aber Zacharias hatte ihn verraten, nicht umgekehrt.
    Dennoch fühlte er sich wie ein unheilbringender Schatten, der sich dunkel über der anderen Lebensfreude legte und sie erstickte.
    Ganz gleich, was ich tue, es ist nie das Richtige; es ist immer zu wenig, oder ich komme zu spät …
    Wieder rutschte er aus, mehr instinktiv als willentlich griff er nach einem Ast, um sich festzuhalten. Rauhe Rinde bohrte sich in seine Handfläche.
    Er durfte nicht fallen, versuchte er sich zu beschwören. Er durfte nicht liegen bleiben. Wenigstens das war er Elisa schuldig – Elisa, die ihn fortgeschickt hatte, die gefordert hatte, er solle kein Schwächling sein, sondern ein Mann.
    Ja, sie hatte recht. Wenn er schon nicht dazu taugte, sie glücklich zu machen, so hatte er es doch immer mühelos zustande gebracht, zu gehen. War er nicht einst vor seiner Mutter geflohen? Hatte nicht Matthias ihn als Feigling beschimpft, der vom Leben davonrannte?
    Seine Schritte gerieten entschlossener. Ja, es war ein erbärmliches, unrühmliches Talent, was er da besaß – aber er konnte gehen, gehen, gehen, immer weiter fort, von Elisa, von den anderen Siedlern, von seinem eigenen Heim, hinein in ein nasses, klammes, graues Niemandsland. Und wenn er nur lange genug ging, vielleicht konnte er dann auch vor seiner Melancholie fliehen, vor der Schuld, die ihn quälte, vor der Vergangenheit.
    Doch plötzlich endete sein Marsch. Ein Schatten trat aus dem Nebel, dünn,

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