Im Land der Feuerblume: Roman
brachten immer irgendetwas mit, wenn sie von tagelangen Wanderungen zurückkehrten – wahrscheinlich, wie Elisa insgeheim ahnte, um nicht gescholten zu werden, weil sie sich so oft aus dem Staub machten. Annelie konnten sie mit Essen ködern; ihr selbst hatten sie vor einiger Zeit das Fell eines Graufuchses geschenkt, ein äußerst begehrtes Gut, weil dieses warm und weich war und sich der scheue Graufuchs viel schwieriger fangen ließ als andere Waldbewohner.
»Wenn du schon keinen Kuchen willst, so wenigstens etwas anderes?«, fragte Annelie.
Elisa schüttelte rüde den Kopf. »Mir ist der Appetit vergangen.«
Zu ihrer Überraschung fragte Annelie nicht nach, sondern nickte wissend, als habe sie mitbekommen, was eben im Stall vorgefallen war.
Sie schlug ein Tuch über den Kuchenteig und wandte sich einer anderen Schüssel zu. Wahrscheinlich befand sich darin der Teig für einen weiteren Kuchen, für Strudel oder Spätzle. Vor vielen Jahren hatte sich Annelie zwar dazu entschieden, nie wieder Rhabarberkuchen zu backen. Doch auf andere deutsche Spezialitäten wollte sie nicht verzichten, umso mehr, als nicht weit von hier, in Frutillar, ein Deutscher eine große Bäckerei gegründet hatte und sie dessen gerühmten Köstlichkeiten in nichts nachstehen wollte.
Es war nicht der einzige Wettstreit, den sie mit roten Wangen ausfocht. In Nueva Braunau hatte man vor zwei Jahren zu Weihnachten eine Gans gegessen, die mit Maronen und Kartoffeln gefüllt war. Seitdem hatte sich Annelie immer wieder an dem Gericht versucht, auch dann noch, als Weihnachten lange vorbei war. »Ich seh’s kommen«, hatte Jule damals gespottet, »diese Ostern wirst du keine Eier färben und verstecken, sondern Maronen.«
Längst galt Annelies Ehrgeiz allerdings nicht nur den Leckereien. In den letzten Jahren hatte sie stets große Freude daran gefunden, ihr Haus nicht nur behaglich, sondern nahezu luxuriös einzurichten.
»Mit lauter unnützen Dingen, die man nicht braucht!«, lästerte Jule oft, obwohl sie regelmäßig die eigene Wohnung über der Schule verließ, um sich bei den von Grabergs nicht nur bewirten zu lassen, sondern sich auch auf einem der weichen Stühle auszuruhen.
Aus Valdivia war mehr und mehr Mobiliar und Hausrat herangeschafft worden: ein Himmelbett mit geschnitzten Pfosten, Teppiche und Steppdecken, ein Bettwärmer und eine Bratpfanne aus Gusseisen, Bilder mit breitem Messingrahmen, schließlich auch ein eigener Geschirrschrank, in dem außer Porzellan auch dicke Stoffservietten aufbewahrt wurden, die Annelie bestickte.
»Eine hässliche Vettel wird nicht schöner, nur wenn du ihr ein hübsches Kleid überziehst«, pflegte Jule zu sagen, »und aus der Wildnis wird nicht Deutschland, nur wenn du all das Zeugs herbeischleppst.«
Trotzdem war Jule meist dabei, wenn Annelie nach Valdivia oder einem der anderen größeren Orte am See aufbrach. Nachdem sie immer frisches Roggenbrot oder Kuchen mitgebracht hatte, hatte sich auch dort bald herumgesprochen, was für eine begnadete Köchin Annelie war. Seitdem wurde sie häufig zu Vereinsfeiern eingeladen, und in Frutillar lauschte sie jeden ersten Samstag im Monat dem Quartett der Feuerwehrleute, das dort spielte – im Übrigen, wie getuschelt wurde, nicht ganz so gut wie das Orchester, das Carlos Anwandter in Valdivia ins Leben gerufen hatte und das regelmäßig Lieder von Schubert zum Besten gab.
Tagelang erzählte sie nach der Rückkehr von den edlen Gewändern und Frisuren, die die »Städter«, wie man sie nannte, im Unterschied zu den ärmlichen Seebauern trugen: die Männer Frack und Spazierstock, die Frauen Kleider und Spitzen an Kragen und Ärmel und mit Eisen gebrannte Locken.
Elisa ließ sich am Esstisch nieder. Sie glaubte schon, dass Annelie nicht weiter auf ihre Auseinandersetzung mit Manuel eingehen würde, doch nach einer Weile der Stille sagte diese unvermittelt: »Du solltest es nicht tun.«
»Was?«, fuhr Elisa sie an. Ihr Tonfall war in den letzten Jahren herrischer geworden, zumindest, wenn sie nicht darum kämpfte, sich zu mäßigen. Sie ließ sich gerne nachsagen, willensstark und entschlossen zu sein, aber als hart wollte sie nicht gelten.
Annelie trat zu ihr. »Ich meine, du solltest dich nicht in Manuels Leben einmischen! Es ist doch seines, er ist alt genug zu wissen, was er tut.«
»Du hast dich damals auch in mein Leben eingemischt, als du mir Cornelius’ Brief vorenthalten hast!«, begehrte Elisa auf.
»Eben darum weiß ich, wie
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