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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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sie sich mit aller Macht ein, nur die kleine, stumme, ängstliche Greta vom Schiff …
    Greta stand an die zehn Schritte von ihr entfernt – und sah grauenhaft aus.
    Elisa konnte sich nicht daran erinnern, wann sie ihr das letzte Mal begegnet war. Nur selten war Greta in der Nähe der Siedler aufgetaucht, und stets hatte Elisa ihre Augen gesenkt, um sie nicht ansehen zu müssen.
    Nun konnte sie gar nicht anders, als sie anzustarren und entsetzt festzustellen, wie stark sie sich verändert hatte. Greta war zwar klein und zart wie eh und je, das Haar dünn und weiß, dennoch hatte sie nichts mit dem kleinen Mädchen von einst gemein. Sie glich vielmehr einer Greisin, als wäre auf ihre Kindheit sofort das hohe Alter gefolgt. Der Blick ihrer rötlich schimmernden Augen war kalt und leer, das bleiche Gesicht von Furchen und Runzeln übersät. Sie hielt den Kopf geduckt – vielleicht ein Zeichen von Vorsicht, vielleicht Folge eines Buckels, der ihren Körper grässlich verbog. Verlottert war die Kleidung; nicht nur viel zu klein und viel zu kurz wie früher, sondern obendrein zerrissen und fleckig. Seit Ewigkeiten hatte sie sich das Haar weder gebürstet noch geflochten. Schütter war es an den Schläfen geworden, was ihren Kopf noch länglicher erscheinen ließ. Sie verharrte reglos, während Elisa sie musterte und um ein freundliches Lächeln kämpfte. Greta und sie waren sich zwar immer aus dem Weg gegangen, offene Feindseligkeit hatte aber nie geherrscht.
    »Guten Tag, Greta«, rief sie ihr entgegen. »Ich … ich muss mit Cornelius reden.« Sie hatte es forsch sagen wollen, musste jedoch unwillkürlich stammeln und verachtete sich dafür. Ungewollt klang sie wie eine Bittstellerin, die auf Gretas Gnade angewiesen war. Greta stütze ihre Hände in die Hüfte und blickte hoheitsvoll auf Elisa herab.
    »Worüber?«, fragte sie gedehnt.
    Elisa schoss Röte ins Gesicht. Ausgerechnet das schwächliche Kind von einst, mit den aufgerissenen Augen und dem Lächeln zur Unzeit, verfügte über Cornelius!
    »Das geht dich nichts an.« Diesmal zitterte ihre Stimme nicht, sondern klang scharf.
    »Tatsächlich nicht?«, fragte Greta. »Er ist mein Mann. Und er ist nicht hier. Er ist auf einer seiner Handelsreisen.«
    Elisa wollte sie nicht länger auf sich herabsehen lassen, sondern den Abstand zu Greta überbrücken, doch in der Hast verfingen sich ihre Füße im Unterwuchs aus Quila und Myrten. Anderswo war der Boden längst davon befreit, hier aber hatte die Erde wohl schon seit Jahren keine Hacke mehr gesehen. Elisa kämpfte um das Gleichgewicht und fiel doch auf den Boden. Dornen bohrten sich in die Haut ihrer Hände und Unterschenkel.
    Was für ein verwahrloster Ort!, fluchte sie innerlich.
    Kurz blieb sie liegen, dann ließ ein Laut sie aufschrecken – ein ebenso spöttischer wie bösartiger und unheimlicher Laut. Greta kicherte.
    Elisa starrte sie verständnislos an. In den eben noch leeren, kalten Augen leuchtete es auf.
    »Warum lachst du über mich, Greta?«, entfuhr es ihr. »Warum dieser Hohn? Ich habe dir nie etwas Böses getan. Im Gegenteil: Einst auf dem Schiff habe ich dir geholfen, dir und deinem Bruder. Und ich hätte es wieder getan, wenn ihr beide euch nicht so abgeschottet hättet. Ein jeder von uns wäre für euch da gewesen!«
    »Von wegen!«, zischte Greta. Ihr Kichern erstarb. »Ihr habt uns gemieden! Höflich gelächelt habt ihr, wenn wir in der Nähe waren, aber sobald wir euch den Rücken zugewandt haben, habt ihr über uns getuschelt. Du hast dich doch nie dafür interessiert, wie es mir wirklich ging. Du hattest auch keine Ahnung, wie krank Viktor in Wirklichkeit war und wie verrückt.«
    Elisa hatte sich aufgerappelt. Nun überbrückte Greta den Abstand zwischen ihnen von sich aus. Als sie vor Elisa zu stehen kam, flackerte ihr Blick, und sie wirkte selbst so krank und verrückt, wie sie es dem Bruder nachsagte.
    »Wusstest du eigentlich, dass Viktor unseren Vater getötet hat?«, fuhr sie raunend fort. »Dass noch Blut an seinen Händen klebte, als wir euch durch den Urwald gefolgt sind? Ihr habt doch nicht ernsthaft geglaubt, dass Lambert Mielhahn seine Kinder einfach gehen lassen würde! Nein, um mit euch fliehen zu können, hat Viktor eine Axt genommen und immer wieder auf den Schädel unseres Vaters eingedroschen. Ich stand die ganze Zeit daneben. Er hätte es ohne mich nicht gekonnt. ›Tu es!‹, habe ich ihm gesagt. Und er hat es getan. Viktor hat meist getan, was ich ihm sagte. Er

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