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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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besseres Winterfutter für Rinder, und kaum einer besaß wiederum kräftigere, wohlgenährtere Rinder als sie.
    Am Ende der Wiese blieb sie kurz stehen. Von hier aus hatte man den besten Blick, nicht nur auf den See und den Osorno, sondern auch über den eigenen Besitz. Früher war sie zu gehetzt gewesen, um irgendwo zu verweilen, doch nun blieb sie manchmal stehen und betrachtete mit Stolz, was sie erreicht hatten.
    »Die Arbeit läuft dir ohnehin nicht davon«, hatte Annelie ihr geraten. »Sie soll ruhig mal auf dich warten. Ruh dich also zwischendurch aus und freu dich deines Lebens!«
    Elisa konnte sich nicht erinnern, wann sie sich in den letzten Jahren über ihr Leben gefreut hatte, aber ihr Besitz verhieß jeden Tag eine tiefe Befriedigung. Nur selten stieg die Ahnung hoch, dass der Stolz auf das Land nicht genügte, um die Verletzungen, die sie zugefügt und erlitten hatte, zu heilen und die Leere, die sich manchmal in ihr auftat, zu überdecken.
    Allerdings: Sagte Annelie nicht immer wieder, dass man hier aus wenig viel zu machen hätte und aus nichts alles?
    Nun gut, so machte sie eben aus Schmerz und Einsamkeit, Kränkung und Schuld diese trotzige Liebe zum eigenen Land.
    Am liebsten war ihr der Anblick des Gartens, den sie erst vor wenigen Jahren angelegt hatten. Er war von Apfel-, Pflaumen- und Kirschbäumen sowie von Beerensträuchern umgrenzt. Mit den Stachelbeeren hatten sie wenig Glück gehabt, doch die Johannisbeeren waren gut angewachsen. Außerdem hatten sie Gemüse angesetzt und Blumen: Die Lilien waren rasch eingegangen, doch die Tulpenzwiebeln waren ebenso aufgegangen wie die Krokusse, die Rosen und der Lavendel, und die wachsartigen, glockenförmigen Blüten der Copihue wehten leuchtend rot im sanften Wind.
    Der Garten befand sich unmittelbar vor dem Wohnhaus, das in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich gewachsen war. Sie hatten die Stube unterteilt und weitere Wohnfläche angebaut, so dass das Erdgeschoss mittlerweile aus drei Räumen und das Dachgeschoss aus zwei Kammern bestand. Oben lebte sie mit Manuel. Unten Annelie mit den zwei älteren Söhnen.
    Immer noch stand diese am liebsten am Herd, doch oft kochte sie nicht im Wohnhaus, sondern im eigenen Küchengebäude nebenan. Es befand sich zwischen der Werkstatt, der Vorratskammer, wo Kartoffeln und Getreide aufbewahrt wurden, und einem Lagerhaus für Chica und Feuerholz. Einen eigenen Schuppen gab es schließlich für die Apfelmühle und –presse, und dahinter folgten, von einem Zaun getrennt, die Ställe: einer für Hühner und Gänse, ein weiterer für Rinder und Schafe. Den Abschluss bildete die Rundscheune, »Campanarios« genannt, wo das Dreschen mit den Pferden besorgt wurde. Seit sie stärker auf Viehzucht denn auf Getreideanbau setzten, gab es dort weniger Arbeit zu tun als einst. Für Elisa war das eine Erleichterung, weil sie Pferde immer noch nicht sonderlich mochte.
    Sie ritt selten aus und hätte auch beim Korndreschen gerne auf sie verzichtet – so wie früher. Damals hatten sie die gebundenen Garben mit den Ähren nach innen ausgelegt, und dann hatte ein halbes Dutzend Menschen ihre Dreschflegel im Takt niedersausen lassen, bis sich das Korn von den Garben gelöst hatte. Doch Lu und Leo, die ihre Zeit lieber für Ausflüge nutzten, hatten ihr mehrmals vorgehalten, dass man nicht der Menschen Arbeitskraft verschwenden sollte, was auch die Hufe der Pferde erledigen konnten.
    Lange hatte Elisa dagegengehalten und darauf gepocht, dass besagte Hufe viel weniger treffsicher seien als die Dreschflegel und dass zu viel Getreide verschwendet würde, aber schließlich hatte sie nachgegeben. Zeit verrann, Sitten veränderten sich – nur das Land blieb, das Land hielt allem stand.
    Elisa stieg etwas höher und kam an Jules Schule vorbei. Es war nicht ihre Stimme, die laut von dort erklang, sondern die von Barbara. Sie sang aus voller Kehle und wurde von äußerst schiefen Tönen begleitet. Diese stammten von dem Klavier, das Poldi letztes Jahr von Valdivia hierher hatte bringen lassen. Jeder hatte ihm prophezeit, dass es ihm unmöglich gelingen würde, dieses Monstrum heil über den See zu schaffen, doch er hatte einige junge Männer dafür bezahlt – allesamt Österreicher. Sie stammten aus dem Braunauer Ländchen beim Böhmerwald und hatten ihre Kolonie, die in den letzten Jahren stetig gewachsen war, darum Nueva Braunau genannt. Nicht bei jedem waren sie beliebt, weil viele Katholiken darunter waren, aber sie waren jung und

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