Im Land der Feuerblume: Roman
kräftig und begabte Handwerker. Sie hatten es schließlich geschafft, das Klavier hierherzubringen, aber jeder einzelne Ton, den man auf dem Instrument erzeugte, war schief und schmerzte in den Ohren.
»Für seine gute Schwiegermutter scheut man ja keine Kosten und Mühen!«, lästerte Jule.
Das Klavier war nicht das einzige Geschenk, das Poldi aus Valdivia heranschaffte – man wusste nicht genau, ob für Resa oder für Barbara. Auch andere Musikinstrumente waren dabei, so eine Geige, die ähnlich schief klang wie das Klavier, außerdem wertvolles Porzellan und bestickte Kissen mit Sinnsprüchen wie: »Gottes Ruh’ und Frieden, sei diesem Haus beschieden«.
Auch Christine besaß viele solche Kissen, allerdings hatte sie die nicht teuer gekauft, sondern selbst bestickt:
»Arbeiten ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis!«
»Hab auf der Welt die schönsten Stunden doch nur in meinem Heim gefunden.«
Auf einem stand schließlich kein Sinnspruch, sondern die launige Klage: »Wir sind Deutsche und die deutsche Sprache muss erhalten werden, notfalls so. Die Jungen sprechen alle Spanisch.«
Ohne Zweifel war das eine Übertreibung, denn hier am See sprachen alle deutsch. Nur in Valdivia oder Osorno vermischten sich die Sprachen. Die jungen Leute sagten, dass sie die Papen gesempert hätten, wenn sie Kartoffeln ernteten oder die Vacken geletschert, wenn sie Kühe molken.
Elisa ging weiter, Barbaras Gesang wurde leiser. Sie kam am Stall vorbei und hörte, wie dort die Tür zuschlug. Zuerst glaubte sie, dass sie nicht ordentlich verschlossen worden war und der Wind sie aufgestoßen hatte, doch als sie näher trat, sah sie Manuel unter einer der Kühe knien.
»Manuel!«, schalt sie.
Er war nicht der einzige von den jungen Leuten, der dergleichen tat, doch sie verabscheute es bei jedem gleichermaßen: anstatt in den Eimer zu melken und sich daraus zu bedienen, machten sie sich ein Spiel daraus, direkt aus den Eutern der Kühe zu trinken.
»Muss das denn sein?«, setzte sie mahnend hinzu. »Komm mit ins Haus. Annelie hat sicher …«
»Hab keine Lust«, meinte er knapp, nahm einen letzten Schluck und richtete sich dann auf. »Muss auch gleich wieder weg.«
Elisa stemmte ihre Hände in die Hüften. »Und wohin, wenn man fragen darf?«
Sie klang nicht mahnend wie vorhin, aber insgeheim schmerzte es sie, dass Manuel sich ihr immer mehr entzog.
»Lu und Leo müssen sich auch nie rechtfertigen, wenn sie irgendwo hingehen«, meinte er knapp.
»Bei ihnen weiß ich wenigstens, dass sie nicht allein unterwegs sind.«
»Wer sagt dir, dass ich allein bin?«
Elisa seufzte. Sie liebte Manuel, und sie stritt mit ihm – seit der Stunde seiner Geburt. Noch ehe er das erste Wort sprechen konnte, hatte er sich als trotzig erwiesen. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sich die ersten drei Kinder jemals so laut, zornig und willensstark verhalten hatten. Ob man ihn wusch, fütterte oder ankleidete – nie ging es ohne Gebrüll vonstatten. Bei keinem der Söhne war ihr so oft die Hand ausgerutscht, und auch wenn sie ihre fehlende Gelassenheit manchmal bedauerte, hatte sie stets die Gewissheit gehabt, dass er die Maulschellen verdiente. Jetzt war er zu groß, um ihn zu schlagen, dennoch sprach sie häufig ein Stoßgebet, dass es ihr irgendwann leichter fallen würde, den rechten Umgang mit ihm zu finden.
Eigentlich gefiel es ihr, dass er so unbeugsam, entschlossen und wild war – nur hoffte sie, er würde seine Energien auf die Arbeit richten, nicht ständig gegen sie.
»Ich treffe mich mit Emilia«, sagte Manuel, und ehe sie darauf antworten konnte, fügte er schnell hinzu: »Ich weiß, du magst sie nicht.«
Elisa seufzte abermals, entschied aber, gar nicht erst darauf einzugehen. Noch schwerer als mit Manuels Trotz war mit der engen Freundschaft zu leben, die ihn und Emilia von Kindesbeinen an verbunden hatte. Nur ungern hatte sie die beiden zusammen gesehen, war jedoch nie entschieden dagegen vorgegangen, denn es gab keine anderen gleichaltrigen Kinder, und sie hatte zu viel zu arbeiten, um Manuel ausreichend selbst zu beschäftigen. Und auch wenn sie es hingenommen hatte, dass Emilia häufig ihr Gast war – dem Mädchen näherzukommen, hatte sie vermieden. Ganz anders verhielt sich Annelie. Sie liebte Emilia wie ein eigenes Kind, bekochte sie, wusch, kämmte und kleidete sie und verhinderte auf diese Weise, dass sie den verwahrlosten Anblick ihrer Mutter Greta bot.
Insbesondere wenn Cornelius auf einer
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