Im Land der Feuerblume: Roman
Anfangsjahren hatten sie mit Butter gehandelt, und seitdem sie fast ganz auf die Viehwirtschaft umgestiegen waren, bezogen sie daraus den größten Teil des Einkommens. Milch war nicht leicht zu transportieren, denn sie wurde schnell sauer, aber mit Butter belieferten sie viele Orte.
»Und wenn ich keine Lust habe?«, fragte Manuel abermals gedehnt.
Auch Lu und Leo taten nicht immer, was sie sagte, aber sie hätten sich nie so offen widersetzt.
»Du pochst doch ständig darauf, dass du mehr Verantwortung übernehmen darfst! Du hast dich immer beschwert, dass ich Lu und Leo mit der Butter schicke – niemals dich! Und jetzt willst du dich mir verweigern?«
Manuel erhob sich langsam. Ungehalten stieß er mit dem Fuß gegen den halbrunden Holzbehälter, in dem Elisa in den letzten Stunden den Rahm in Buttermilch und Butter getrennt hatte. Zu diesem Zweck musste man an einer Kurbel drehen, an der längliche Holzstücke befestigt waren, die in den Behälter reichten.
»Du schickst mich nicht fort, um mir mehr Verantwortung zu übertragen. Du schickst mich fort, weil du mich von Emilia fernhalten willst, nicht wahr?«
Manuel nuschelte die Worte. Erst nachdem sie gesagt waren, spuckte er den Grashalm aus.
Elisa ließ den Butterzopf los und stützte ihre Hände auf die Hüften ab, ungeachtet dessen, dass sie fettig waren.
»Mein Gott, jetzt stell dich nicht so an!«, rief sie empört. »Lu und Leo haben zu tun, sonst würden sie gehen!«
Manuel schüttelte den Kopf. Elisa befürchtete schon, er würde wieder von Emilia zu reden beginnen, doch stattdessen fragte er: »Weißt du eigentlich, Mutter, wie die Leute in Osorno von uns reden?«
»Was interessiert mich das?«
»Sie machen sich über uns lustig, so wie in allen größeren Orten auch. Die Seedeutschen heißen wir dort, nein warte, sie sagen Laguna-Deutsche, weil See auf Spanisch Laguna heißt. Sie blicken auf uns herab, weil wir so arm sind. Einfache Bauern nur, ohne Manieren und ohne Geld. Ja, für Pack halten sie uns.«
Elisa trat auf ihn zu und nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. Sie scheute seinen trotzigen Blick nicht länger, sondern hielt ihm stand. »Hör mir gut zu, mein Sohn«, zischte sie. »Ich habe mein Leben lang hart gearbeitet, ich habe Opfer gebracht, und ich habe viel verloren, weiß Gott, viel zu viel. Ich habe mir das eigene Brot vom Mund abgespart, damit meine Kinder genug zu essen hatten. Und du, Manuel, du bist in einer Zeit geboren, da das Schlimmste schon hinter uns lag. Du bist nicht verhungert wie dein älterer Bruder Ricardo! Du wurdest nie von Krämpfen wach gehalten, weil dein Magen leer war! Also wag es nicht, das, was wir haben, was wir errungen und erkämpft haben, schlechtzumachen, wag es nicht!«
Kurz breitete sich Verlegenheit auf seinem Gesicht aus. Dann entzog er sich ihr unwirsch. »Nicht ich mache es schlecht, sondern die Menschen in Osorno«, entgegnete er wütend. »Dort leben keine Bauern, sondern Handwerker. Sie haben Brennereien und Mühlen errichtet, und sie sind damit reich geworden.«
»Nun gut«, sagte Elisa und wandte sich ab. »Wenn du kein Bauer sein willst, dann eben ein Händler. Also nimm die Butter, geh und bring genügend Geld zurück!«
Manuel sprang auf sie zu. »Du nimmst mich nicht ernst, Mutter!«, rief er anklagend. »Dir ist völlig gleichgültig, was ich mir vom Leben wünsche!«
»Das ist nicht wahr!«
»Und ob es wahr ist! Du wirst nicht erlauben, dass ich Emilia heirate, nicht wahr?«
Sie rang mit den Händen. »Manuel, du bist so jung. Ich will dir nichts verbieten, ich will nur, dass ihr wartet. Und vielleicht hast du auch recht, wenn du … wenn du dir ein ganz anderes Leben wünschst, als du es hier haben kannst, und wenn du mehr von der Welt sehen willst. Ich habe mir überlegt, dass du vielleicht in Valdivia ein Handwerk erlernen könntest. Unseren Hof werden ohnehin mal deine älteren Brüder übernehmen.«
»So also hast du dir das gedacht«, knurrte er. »Du schickst mich fort, damit Emilia und ich getrennt sind.«
»Herrgott, was willst du eigentlich? Du beklagst dich über das Leben hier, und schlage ich vor, dass du fortgehst, bist du auch nicht zufrieden!«
»Weil du mich gängeln willst! Weil du mir ständig vorschreibst, was ich zu tun habe! Weil du mir nur so viel Freiheit zugestehst, wie sie dir zupasskommt!«
Er trat mit dem Fuß gegen das Butterfass, dass es knirschte.
»Du wagst es, so mit mir zu reden?« Elisa funkelte ihn an. »Manuel, willst du dich
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