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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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Erbsen, Bohnen und Kartoffeln noch Butter gerührt – ein Luxus, von dem die Menschen auf dem Zwischendeck nur träumen konnten. Das erklärte Cornelius eines Tages ungewöhnlich streng seinem Onkel, als dieser das dürftige Abendmahl beklagte. »Wir könnten es viel schlimmer treffen!«, kam es schroff, woraufhin Pastor Zacharias halb verlegen, halb trotzig schwieg.
    Tatsächlich erfuhr Elisa von den Steiner-Kindern Tag für Tag, welchen Fraß sie vorgesetzt bekamen. Graupen mit Zwetschgen standen da auf dem Speiseplan, wobei in den Graupen Flöhe schwammen. Die Kartoffeln keimten, und im dunklen Schiffszwieback waren viereckige Stückchen zu sehen, aus denen irgendwann weiße Würmer hervorkrochen.
    Fritz, Lukas und Poldi machten sich einen Spaß daraus, die Maden zu zählen – was die jüngeren Schwestern alles andere als lustig fanden. Christl fing zumindest regelmäßig zu heulen an und weigerte sich, das Brot zu essen.
    Frisch waren nur die Äpfel, die im Schiffsbauch gelagert wurden, sich bislang ausgezeichnet gehalten hatten, nun aber langsam zur Neige gingen. Regelmäßig wurde am Heck die Angel ausgehängt – aber nicht immer war die Ausbeute an Fischen reichlich, und viele bargen kaum Fleisch, nachdem die Gräten entfernt waren. Annelie konnte nicht einmal dieses wenige herunterbringen. Obwohl sie sich das Klagen verkniff, sah Elisa ihr an, dass sie in ihrem Zustand noch mehr als alle anderen an Schwüle und Hitze litt. Mitleid keimte in ihr auf. Sie erzählte von einem Mann, der sich aus einem alten Segeltuch eine Hängematte genäht hatte, sie des Nachts auf dem Oberdeck aufhängte und dort schlief – offenbar deutlich besser als im dumpfigen Inneren des Schiffs.
    »Vielleicht könntest du eine Nacht durchschlafen, wenn wir das auch tun würden!«, wandte sie sich ausnahmsweise an Annelie, die, abgemagert und erschöpft, einen schrecklichen Eindruck bot.
    »Unmöglich!«, rief Richard jedoch sofort. »Nachts ist es für uns verboten, das Deck zu betreten! Das hat der Kapitän doch schon zu Beginn der Reise bekanntgegeben!«
    Annelie ergab sich seufzend seinen Worten. Und auch Elisa begehrte nicht dagegen auf, blieb jedoch weiterhin bis spät abends an Deck, um sich von Cornelius weitere Sternzeichen erklären zu lassen. Ganz gleich, wie sehr sie unter den Mühen der Reise litt – in seiner Nähe waren sie viel leichter zu ertragen.
    Drei Monate nachdem sie in Hamburg abgelegt hatten, ließ der Tropenregen endlich nach. Die Stimmung blieb dennoch getrübt – nicht nur wegen des schlechten Essens und der Langeweile, sondern vor allem aus Furcht. Selbst der freche Poldi wurde etwas blass um die Nase, wenn sie über das sprachen, was ihnen in den nächsten Tagen bevorstand: die Durchquerung der Magellanstraße.
    Manch einer stieß ein Stoßgebet aus oder schlug die Hände zusammen, wenn die Sprache darauf kam. Andere diskutierten es nüchterner, jedoch nicht frei von Sorgenfalten: Was war gefährlicher – die Umrundung des berüchtigten Kap Hoorn, wo schlimme Stürme drohten? Oder die Durchquerung der heimtückischen Meeresenge zwischen dem südamerikanischen Festland und Feuerland mit den vielen bedrohlichen Klippen? Der Kapitän hatte sich nach langem Abwägen für Letzteres entschieden, jedoch keinen Augenblick lang Zweifel daran gelassen, dass diese Reiseroute nicht wenige Gefahren bot.
    Pastor Zacharias ließ sich von düsteren Prophezeiungen anstecken, die auf der Hermann III. kursierten, und schnappte ständig nach Luft, als würde er bereits jetzt in den Fluten um sein Leben kämpfen. »Unser Schiff wird an den Klippen zerschellen! Umkommen werden wir alle, qualvoll ersaufen! Und … ach herrje! Anders als Jonas wird kein Wal mich auffressen und später wieder heil ausspucken! Und wisst ihr auch, warum?« Sie waren alle zum Abendmahl versammelt, und er starrte Cornelius und die von Grabergs aus rotgeäderten Augen an, weil er seit Tagen schlecht schlief und deswegen übermüdet war. »Weil es nicht Gott war, der mich auf diese elende Reise schickte! Es kann nämlich unmöglich der Wille des Allmächtigen sein, dass ich irgendwo fernab von der Heimat auf dem Meeresgrund liege! Ach herrje!«
    Er wurde noch verzweifelter, als am nächsten Tag ihm unbekannte Vögel auftauchten und das Schiff umkreisten – ein Zeichen, dass Land in der Nähe war, natürlich kein rettendes, sondern lebensfeindliches. Als wären die Ahnungen, die sie alle umtrieben, nicht schlimm genug, passierten sie –

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