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Im Land der Feuerblume: Roman

Im Land der Feuerblume: Roman

Titel: Im Land der Feuerblume: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Federico
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lauter, irgendeine Frau schlug ihre Hände mehrmals über dem Gesicht zusammen, ein anderer kicherte nervös, wieder andere schwiegen betreten. Sogar Emma Mielhahn zog ihre Kinder fest an sich. Viktors Gesicht war nach wie vor von blauen Flecken übersät – Elisa war sich nicht sicher, ob diese von den alten Faustschlägen des Vaters rührten oder neue hinzugekommen waren. Zumindest waren keine frischen Blutkrusten zu erkennen.
    Rasch ging sie zurück zur Koje der Steiners, wo sie auch die letzte Stunde verbracht hatte.
    »Wo ist Poldi?«, fragte sie besorgt. Nicht lange zuvor hatte sie ihn noch mit Lukas herumbalgen sehen. Doch dann hatte sie Christl, die sich die gleiche Art Zopf wünschte, wie sie ihn trug, die Haare geflochten und nicht mehr auf den jüngsten Steiner-Sohn geachtet. Anders als ihre wilden Strähnen waren Christls dünne Haare leichter zu bändigen.
    »Wo ist Poldi?«, fragte sie wieder. »Und Lukas ist auch nicht hier!«
    Fritz fluchte laut über die jüngeren Brüder, wollte sich auf die Suche nach ihnen machen, wurde aber von dem Matrosen ebenfalls daran gehindert.
    »Wie ich schon sagte: Jeder bleibt, wo er ist.«
    Ratsuchend blickte er zu seiner Mutter, doch die war damit beschäftigt, missmutig auf Jule zu schielen. Unberührt vom Sturm und der Angst der anderen Passagiere las sie in ihrem Buch.
    »Ihre Sorgen möchte ich haben! Wahrscheinlich würde sie auch dann noch seelenruhig lesen, wenn wir kentern!«
    Christl kicherte, Magdalena ausnahmsweise auch. Doch das Lachen verstummte sofort, als es über ihnen bedrohlich knirschte. Alle duckten sich, nur Jule las ungerührt weiter.
    »Und immer noch erzählt sie nichts über ihren Mann und die beiden Töchter«, murrte Christine. »Möchte wirklich wissen, was sie zu verbergen hat. Und den Schiffsarzt hat sie bestohlen. Auch wenn der ein Lump ist, so bleibt’s doch eine Untat! Ich möchte nur zu gerne wissen …«
    Plötzlich brach sie ab. Diesmal war es kein Knirschen, kein Ächzen oder das Geräusch zersplitternden Holzes, das sie zusammenzucken ließ, sondern ein schriller Ruf, der all diese Laute übertönte.
    Abrupt sprang Christine auf, fand jedoch keinen festen Stand, sondern fiel förmlich in die nächste Koje – ausgerechnet in die von Jule. Diese hob erstmals den Kopf. »Können Sie sich nicht festhalten?«
    Christine achtete nicht auf die Verfemte. »Mein Gott, Poldi!«, schrie sie auf.
    Elisa war ihrem Blick gefolgt und sah sie nun auch: Poldi und Lukas und zwischen ihnen, auf ihren Schultern gestützt, Annelie. Sie war kaum fähig, noch einen weiteren Schritt zu machen. Kreidebleich war ihr Gesicht, an der Wange etwas aufgeschrammt. Das Haar fiel ihr in die Stirn, und ihre Hände waren von Rissen und Kratzern übersät. Das Schlimmste war das viele Blut, das aus ihrem Leib sickerte. Längst hatte sich ihr Rock damit vollgesogen. Eine rote Pfütze breitete sich unter ihr aus, wurde immer größer.
    Elisa schrie auf und presste die Hand vor den Mund.
    Poldi und Lukas konnten sie nicht länger stützen, und mit einem gequälten Stöhnen brach Annelie auf die Knie.
    »Das Kind …«, stammelte sie, »das Kind …«
    Elisa wollte zu ihr eilen, konnte es jedoch nicht. Wie starr blickte sie auf die Stiefmutter. »Sie ist schwanger«, murmelte sie. »Sie ist …«
    Christine erreichte Annelie als Erste, verscheuchte ihre Söhne und beugte sich über sie. Gerade noch rechtzeitig fing sie sie auf, ehe ihr Rumpf schwer auf den Boden krachte. »Wir müssen sie zum Arzt schaffen!«
    »Das geht doch nicht!«, rief Elisa verzweifelt. »Der Sturm! Und außerdem ist der Arzt ein Trunkenbold!«
    Endlich konnte sie sich aus der Starre lösen. Sie eilte zu Annelie, doch deren Gesicht war so schmerzverzerrt, dass sie nicht wagte, sie anzufassen. Womöglich würde eine falsche Berührung ihr Leiden noch verstärken. Christines und Elisas Blicke trafen sich – beide hilflos.
    »Worauf wartet ihr?«, klang es da energisch hinter ihnen. Jule hatte ihr Buch zur Seite gelegt und war aufgestanden. »Zwei kräftige Männer braucht’s«, rief sie befehlend. »Legt sie in meine Koje und haltet ihr die Beine hoch; sie darf nicht mehr Blut verlieren, sonst wird sie noch ohnmächtig.«
    »Es ist viel zu früh …«, stammelte Annelie, »viel zu früh.«
    Es waren Fritz und sein Vater Jakob, die Annelie schließlich zu Jules Koje trugen.
    Einige der anderen Passagiere waren näher getreten, doch sie wichen rasch zurück, als Christine sie fortjagte.

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