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Im Land der Freien

Im Land der Freien

Titel: Im Land der Freien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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eingehalten werden. Ungetestet und sofort dürfen sie hier zum Altar. Sogar interracial marriages sind erlaubt. Wer im Marriage Licence Bureau der Stadtverwaltung 35 Dollar bar hinterlegt, darf antreten.
    Wir besprechen umgehend alle Details. Lynette bemerkt meine helle Vorfreude. Klar, »meine Verlobte Dorothy wartet im Hotel auf mich und ich will sie mit einem fait accompli überraschen«. Natürlich entscheide ich mich für das Deluxe -Paket zu 419 Dollar, mit Ansteckblume für den Trauzeugen, einer Rosenkaskade auf die Brautleute, Riesenfotos, Video-Aufzeichnung, Live-Orgelmusik, einem Hochzeitsstrumpfhalter und, am unvergesslichsten, zwei T-Shirts. Luxury transportation in der » Super Stretch Limo « wäre extra zu bezahlen. Ich lasse mich nicht lumpen, ich buche alles, »Dorothy ist die Frau meines Lebens«.
    Da ich mich als business man zu erkennen gebe, spielt Zeit natürlich eine Rolle. »Kein Problem«, beruhigt mich Lynette, »das schaffen wir in zehn Minuten.« Dann wird es schwierig, ich stottere verlegen, zuletzt lasse ich es unter leichten Schmerzen raus: »Verzeihen Sie die unpassende Frage: Aber wie sieht es mit der Scheidung aus?« Und Lynette, jetzt ganz business woman , weiß – ohne die Stimme einen Viertelton zu verändern, ohne mich mit einem entgeisterten Blick abzustrafen – die lässige Antwort: »Das geht noch schneller.« Nur müssten wir, Dorothy und ich, nachweisen, dass wir sechs Wochen in Las Vegas gelebt haben. Eine Formsache, ein freundlich bedachter Hotelportier könne das schriftlich bestätigen. Mit der fingierten Rechnung dann zum Anwalt (Lynette kennt die wichtigen Adressen), Blabla, Unterschrift, wieder blechen und geschieden. Bestens gelaunt verabschieden wir uns. »Bis morgen, Schlag Mitternacht.«
    Als ich bereits im Bett liege, denke ich an Joe, den »Priester«, der für Lynette die Paare – christlich, unchristlich, wie auch immer – vermählt. Für vierzig Dollar die Trauung. Die Managerin meinte, es bestünde durchaus eine Chance, dass er heute Nacht noch vorbeikäme. Also renne ich noch einmal zurück, bin zu neugierig auf den freelance -Pfarrer. Und Joe – staatlich geprüft, frisch und gepflegt aussehend – ist da. Ich erzähle ihm, dass Dorothy meine Pläne hocherfreut begrüßt habe. Da sie aber aus einem sehr traditionsbewussten christlichen Elternhaus komme, hätte sie natürlich gern gewusst, worüber der Priester anlässlich der Trauung sprechen würde. Denn sie bestehe auf tadelloser Seriosität.
    Und Joe kennt sein Metier. Mit sonorer Stimme klärt er mich auf: Normalerweise spreche er über einen Baum. Dieser Baum sei ein Symbol der Ehe. »Wie sie braucht er Raum, Respekt, Nahrung. So sollten die Eheleute einander Raum, Respekt und Nahrung geben.« Ich gratuliere Joe zu dieser ergreifenden Metapher, bitte ihn aber, noch etwas Feines über das heilige Sakrament der Ehe zu erwähnen. Gut wäre, wenn die Wendungen »für immer« und »bis dass der Tod euch scheidet« dabei vorkämen. Und der Las-Vegas-Theologe nickt kundig, er versteht die Sorgen der Menschen: » Sure, no problem .«
    Ich bin schon beim Abdrehen, als mir die letzte Not von Dorothy einfällt: »Noch etwas, Joe, ein strenger Hinweis auf eheliche Treue, ist das machbar?« Und Joe, jetzt prachtvoll und souverän, ruft mir nach: » Take it easy , Treue kommt auch vor.«

SAN FRANCISCO
    Kurz nach fünf Uhr morgens sitze ich im Taxi, Richtung Greyhound-Busbahnhof. Bei der Fahrt aus dem Hotelbunker komme ich noch einmal am Bungee Tower vorbei. Die nächtlichen Schreie derjenigen, die zum ersten Mal in die Tiefe springen, scheinen mir das Sinnlichste, was diese Stadt zu bieten hat. So ein Schrei der Erlösung, auch Erlösung von der eigenen Angst, klingt ergreifend.
    Ein müder Verein im Bus. Still und kleinlaut. Wohl ein paar von denen, die übers Wochenende nicht schnelle Millionäre wurden. Sie befinden sich jetzt auf dem Heimweg, zurück ins ganz normale Leben. Der Mensch neben mir riecht. Wahrscheinlich hat er die letzte Seife verspielt.
    Aber das Land ist schön. Die leere Mojave-Wüste, der dunkelgelbe Himmel, wieder das leise Brummen des Motors, das uns wie ein zarter Singsang begleitet. Langsam verdrängt er das Geräusch von fünfzigtausend einarmigen Banditen und Spielautomaten, die für nichts anderes auf die Welt kamen, als an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden lang Geld zu schlucken und auszuspucken.
    Die angenehme Geschwindigkeit der Greyhound-Busse, auch sie besänftigt. Kein

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