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Im Land der Freien

Im Land der Freien

Titel: Im Land der Freien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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irgendwo in einer Hinterhofgarage seinen Macintosh, nach der Entdeckung des Rades die nächste große Errungenschaft. Und das hiesige Footballstadion nennen sie » Cow Palace «. Auch das ist geistreich.
    Hier, in Frisco, soll Jack Kerouac in den sechziger Jahren, als die Stadt zum ersten Wallfahrtsort der Beat Generation avancierte, den eminenten Satz geschrieben haben: » For life is holy and each moment is precious «, das Leben ist heilig und jeder Augenblick kostbar.
    Ich beginne zu wandern. Zufällig stieß ich vor Tagen auf einen Satz von Werner Herzog: » Walking is virtue, tourism deadly sin .« Ob nun Gehen gleich eine Tugend ist, weiß ich nicht. Gehen ist zuerst einmal ein Lustgefühl, gerade hier. San Francisco wird mich über Las Vegas hinwegtrösten. Beschenkt, ich bin ganz sicher, werde ich weiterziehen zum letzten Ziel dieser Reise.
    Trotzdem fahre ich die ersten hundert Meter mit einem national historic landmark , den cable cars , von downtown hinauf zum steilen Russian Hill. Das Vergnügen wird verdoppelt, als der » hintermann « – er ist zugleich Stationsausrufer, Ticketverkäufer, Stadtführer und Bremser – den Waggon mitten auf der Strecke zum Stehen bringt und sich kurz entschuldigt. Denn dort am Eck gäbe es die beste Hühnersuppe. Und der Bremser geht seine Suppe einkaufen. Und keiner murrt, nicht das leiseste Widerwort ist hörbar, alle warten amüsiert, bis die Hühnersuppe an Bord ist und die Fahrt weitergehen kann.
    Die Südspitze entlang, Jogger, Hunde, Turner, fünf Auf-dem-Kopf-Steher, ein Mensch mit drei aus seinem Rucksack lugenden Katzen, die Salzluft und das Geräusch schwebender Möwen. Blick auf Alcatraz – von spanisch » alcatraces «, Pelikane, die sich dort niederließen –, jenes Zuchthaus, das Justizminister Robert Kennedy 1962 schließen ließ: Wächter und Insassen übertrafen sich gegenseitig an Brutalität. Durch das Marina-Viertel schlendern, eine der am schönsten bebauten Gegenden Amerikas. Der meerfarbene Himmel beleuchtet die Jugendstilfassaden. So viel Schönheit macht toll, sie wirkt wie Rauschgift auf müde Nerven, sie euphorisiert die hungrigen Augen und löst ein unaufhaltsames Gefühl von Dankbarkeit aus.
    Ich biege rechts ab auf die Golden Gate Bridge, will rüber zum anderen, dreitausend Meter entfernten Ende. Mit 27 000 Kilo Rot wird sie jedes Jahr gestrichen. Damit sie nicht rostet und golden aussieht, wenn die Pazifiksonne sie anstrahlt. Die beiden Stahltürme werfen dunkle Schatten auf die Wellen, der Wind braust, man wird blöd vor Glück. Verrücktes, absurdes Leben, die Brücke gilt als Lieblingsort für Selbstmörder.
    Nach einer halben Stunde Fußmarsch schenkt mir der Teufel ein Wunder. Ein Unfall passiert, niemand verletzt, aber erfreulicherweise viel Blechschaden und Glassplitter. Als Folge ein Stau, Stillstand und ein dramatisches Absinken des Lärmpegels. Irgendwann sind die sechs Fahrspuren neben mir leer. Mutterseelenallein, nur begleitet vom brausenden Wind, erreiche ich das andere Ufer.
    San Francisco ist hemmungslos großzügig zu mir. Am Vista Point, dem erfolgreichsten Blick zurück auf die Stadt, stehen zwei Freundinnen, bereit, sich per Selbstauslöser zu fotografieren. Aber die kleine Aktion verzögert sich, das Einrichten der Pose schafft Probleme. Zu voluminös sind Arme und Bauch, um sich, wie geplant, gegenseitig um die Schultern zu fassen. Ungeniert und voller Optimismus suchen sie nach einer Stellung, die sie eng verbunden und gemeinsam präsentiert. Ich bin ein schlechter Mensch und kann nach kurzer Schamfrist nichts mehr zurückhalten. Nach wenigen Sekunden lachen wir zu dritt, so schamlos und fröhlich, dass es eine Weile dauert, bis ich, zitternd vor Lust, imstande bin, die Olympus hochzuhalten, und – noch drei Schritte zurückweichend, um die beiden Damen endlich vollständig ins Bild zu bekommen – auslösen kann.
    Einen langen Fußmarsch entfernt liegt der Golden Gate Park. Auch ein Mythos. Vor über hundert Jahren beschlossen die Stadtväter, sich tausend Hektar Schönheit zu genehmigen. So schön, so überwältigend schön wie der Bois de Boulogne in Paris sollten sie werden. Um nichts weniger größenwahnsinnig waren die Herren. Und sie gewannen die Wette. Jedem Europäer, der in Paris lebt, wird das Herz rasen, wenn er das zugeben muss. Knorrige Bäume, verwachsene Wege, stille Seen, sanfte Hügel, ein Eichhörnchen klettert mir am Hosenbein hoch, frisst tapfer aus meiner Rechten.
    So einladend ist die

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