Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Land der Freien

Im Land der Freien

Titel: Im Land der Freien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
Vom Netzwerk:
Gegend, dass Jimi Hendrix, Janis Joplin und LSD -Guru Timothy Leary 1967 an diesem Ort – so will es die Märchengeschichte des Rock – den Summer of Love ausriefen. Wahr und mit unzähligen Seufzern der Wollust bewiesen ist die Tatsache, dass kein anderes Stück Wiese zwischen Atlantik und Pazifik existiert, auf dem mehr Sinnenrausch stattfand als hier, mehr bunte Hippies zum Schmusen und Lieben loslegten.
    Lange her. Vielleicht ist der Park heute noch schöner, da noch älter. Die gutaussehenden Nackten sind verschwunden: Sie haben sich inzwischen für den Neoliberalismus umgezogen. Kein Börsenmakler legt sich mit seinem Versace-Anzug auf die Wiese. Eingezogen sind die verschorften Opfer der Gier, die losers , die addicts , die homeless . Die Verlierer, die Süchtigen, die Heimatlosen.
    Trostlose Figuren, den gefalteten Karton unterm Arm oder – schon drei Grad weniger elend – unterwegs mit dem geklauten Einkaufswagen, randvoll mit fettfleckiger Wäsche, platten Dosen und leeren Flaschen, ihrem Einkommen. Manche so ramponiert, dass man bei jedem Huster ihr Skelett rumpeln hört. Sie huschen von Gebüsch zu Gebüsch, die passende Vorsichtsmaßnahme, denn gleichzeitig ist die Polizei unterwegs, um die Vernarbten und Verlausten einzufangen und fern vom Golden Gate Park wieder abzuladen.
    Damit keiner entkommt, gehen die Razzien nachts weiter. Diesmal mit Hubschraubern, ausgerüstet mit Infrarot-Suchgeräten. Der Bürgermeister hat sogar eine Hotline einrichten lassen. Um den anständigen Bürgern das Denunzieren der Landstreicher zu erleichtern. Zur Extra-Telefonleitung kommt noch das Versprechen, jeden Denunzierten innerhalb von 24 Stunden aus dem schützenden Dickicht zu entfernen.
    Summer of Love ist seit vielen Sommern vorbei. Vieles hat sich grundlegend geändert. Auch die Heroinpreise, heute niedriger denn je. Ich lerne Bruce kennen, der mich anpumpt, um seinen nächsten Schuss zu finanzieren. »Hier«, sagt er beiläufig, »nennen sie mich den Unsichtbaren.« Seit Jahren verkriecht er sich erfolgreich im Gestrüpp.
    Bruce erweist sich als redselig, im Gegensatz zu manch anderem hier, den das Alleinsein blöd und mürrisch machte. Der Siebenundvierzigjährige, mit Warzen im Gesicht und Ekzemen am Körper, hat einen anstrengenden Lebenslauf hinter sich. Nicht ohne Stolz zieht er sein eineinhalb Meter langes Strafregister hervor, gut lesbar abgezeichnet vom Polizeichef in Albany, New York. Die Lektüre dieses Faxes ist nicht jugendfrei: »Erregung öffentlichen Ärgernisses, Betrügereien, Exhibitionismus, Autodiebstahl, illegaler Waffenbesitz, versuchter Einbruch, Raub, sofortige Strafrückfälligkeit nach Bewährungsstrafe.«
    Auf den anderthalb Metern hat nur die eine Hälfte seines Lebens Platz, die entdeckte. Den Rest der Zeit war er als Zuhälter, Dealer und Mörder unterwegs. Er schwärmt noch heute von seiner Zeit in einem Obdachlosenheim in der Bowery, von wo aus er seine Operationen leitete. Er fühlte sich absolut sicher, kein Bulle wäre je auf die Idee gekommen, dass der abgerissene Typ auf Bett Nummer 43 in seinem Plastiksack zwei Kilo Dope lagerte: um seine runners , seine drei Laufburschen, mit dem Stoff auf die Straße zu schicken. Der Boss blieb auf der schmuddeligen Pritsche liegen. Er gehörte zu den seltenen Menschen, die Geld besitzen und keinen Wohlstand aushalten. Der Gedanke, dass Kies vorhanden war, genügte ihm. Er hätte nicht gewusst, wie man sich bewegt, wie man lebt in einer sicheren, sauberen Umgebung.
    Aber Bruce beging die erste Todsünde, die ein Drogenhändler begehen kann: Er fing an, das Gift zu schlucken. Der Stress folterte ihn beharrlich, irgendwann brauchte er es. Und so kam für Stunden die Erlösung: » If you do it, you are on easy street .«
    Den Mord beging er auf Bestellung. Eine Leiche wurde bestellt und Bruce lieferte sie. 500 Dollar stellte er in Rechnung, 250 vorab, 250 als Erfolgshonorar. Der Auftrag, sagt er, ließ ihn an seine Kindheit denken, als er als booster unterwegs war: Das sind begabte Ladendiebe, die mit dem Metermaß fremde Stereoanlagen und Fernseher ausmessen. Damit der Kunde das Modell bekommt, das in seine Wohnung passt. Bruce legte schon früh Wert auf Professionalität.
    Sein Abstieg hat die übersichtlichsten Gründe. Er gab der Welt, was er bekommen hatte: Sein Vater verschwand, nur als vagen Schatten erinnert er sich an den bedrohlichen Alten. Die Mutter soff sich das Hirn tot. Die zwei Brüder begingen Selbstmord. Rechtzeitig, bevor

Weitere Kostenlose Bücher