Im Land der gefiederten Schlange
Affen lesen lernen können.«
Dass er selbst Angst gehabt hatte, konnte er vor ihr nicht verbergen, und für den Mut, den es ohne Angst nicht gab, küsste sie ihm die Augen. »Verletzt es dich wirklich nicht, dass sie so mit dir umgehen? Dass sie nicht aus ihrer Haut können?«
»Nein«, sagte er. »Wirklich nicht. Ich finde, Mexiko kann sich an uns ein Beispiel nehmen. Wir haben uns geschlagen, wir haben aufeinander geschossen, und wenn wir uns jetzt noch eine Zeitlang als Amarantfresser und Bleichgesichter beschimpfen, damit wir uns nicht ganz so grässlich voreinander fürchten, soll es mir recht sein.«
»Und? Darfst du mich jetzt heiraten?«
»Nein«, antwortete er. »Jetzt habe ich ein Problem.«
»Warum?«
»Sie wollen anreisen. Sie haben gesagt, sie verzeihen uns nie, wenn wir nicht warten. Nur ist es eben noch nicht ungefährlich zu reisen, und zu heiß für die alten Leute ist es auch.«
»Und warum hast du ihnen nicht gesagt, sie könnten sich ihr Verzeihen sonst wohin stecken?«
»Weil …«
»Aha«, sagte Katharina. »Das ist mein todesmutiger Aztekenkrieger.«
»Ich werde jetzt Bauer, Ichtaca. Oder ich vertrete Nachbarn, die sich um Taubendreck auf ihrem Fenstersims streiten.«
»Schön, mein Liebling. Und was gedenkst du wegen deiner Hochzeit zu tun?«
Er senkte den Kopf. Dann sah er sie wieder an, und seine Augen blitzten. »Willst du das wirklich wissen?«
»Das ist eine dumme Frage für einen, der mich dreißig Jahre lang kennt. Sag’s mir. Was willst du?«
»Dich heiraten«, antwortete er. »In der Kapelle von Santa María de Cleofás. Und wenn es dir nichts ausmacht zu warten, dann …«
»Was dann?«
»Dann hätte ich gern, dass dein Vater dabei ist und dich den mickrigen Gang, den sie dort haben, hinunterführt.«
»Aber mein Vater …«
»Dein Vater will seine Tochter zum Traualtar führen. Es kratzt ihn nicht, dass er nicht katholisch ist.«
Ihre Hände krampften sich umeinander. Unendlich gern hätte sie sich dem Ansturm des Glücks überlassen, aber noch war nicht alles geklärt. Das Wichtigste stand noch aus. »Hast du meinen Eltern gesagt, dass es nicht dein Kind ist, das ich bekomme?«
»Ja«, antwortete er und hob eine Braue. »Hätte ich das nicht tun sollen?«
»Doch«, rief sie, »doch. Ich dachte nur, es sei zu viel von dir verlangt. Ich will nicht fortwährend deinen Stolz kränken. Es tut mir weh, Benito. Ich habe deinen blöden Stolz so lieb.«
Er sah ihr lange schweigend ins Gesicht und legte seine Hände auf ihren Leib. »Meinem Stolz geht es bestens«, raunte er ihr verschwörerisch zu. »Er platzt gleich.«
»Du verstehst, dass ich es allen sagen muss, nicht wahr? Ich könnte nach dem, was ich erlebt habe, nicht mein Kind belügen.«
»Ich auch nicht«, erwiderte er. »Ich muss irgendwann Angela sagen, dass ihre Mutter Inez hieß und in Tula gestorben ist. Und einer von uns wird Felice etwas über ihren Vater sagen müssen, damit sie anfängt ihre Mutter zu verstehen. Wir müssen Josefa sagen, dass sie noch einen Vater hat, und ich wäre stolz, wenn sie mich trotzdem braucht. So wie du deinen Vater brauchst. Um zum Altar zu gehen, zum Beispiel. Irgendwann. Egal, ob wir katholisch sind.«
So fest, wie sie ihn liebhatte, konnte sie ihn nicht an sich drücken. Der dicke Bauch war im Weg. »Josefa?«, rief sie lachend und weinend. »Und dessen bist du dir sicher?«
»Aber ja. Ich finde, deine Base Josephine sollte Taufpatin werden. Und eine neue Josefa kann Mexiko gut brauchen.«
»Und wenn es ein Junge wird, du Alleswisser?«
»Peter«, sagte er, ohne mit der Wimper zu zucken, stand auf, nahm die Axt und half ihr in die Höhe. Der leuchtende Himmel hatte sich schwarz bezogen. In Querétaro vergaß man leicht, dass Regenzeit war. Ihr Liebster legte ihr den Arm um die Taille und führte sie nach Hause. Unterwegs erzählte sie ihm, dass sie hier glücklich war, dass sie aber nicht wusste, ob sie für immer bleiben wollte, dass sie vielleicht irgendwann die Stadt vermissen und gern wieder unterrichten würde. Er küsste sie auf den Kopf und erzählte ihr, dass Juárez ihn gern in Mexiko-Stadt hätte und dass sie das alles entscheiden könnten, wenn das Kind geboren sei. Und dann erzählte er ihr von Stefan, der für den Winter eine Europareise plante und gefragt hatte, ob sie nicht mitkommen wollten.
»Wie will Stefan denn das bezahlen?«, fragte Katharina.
»Er arbeitet jetzt wieder für Engländer«, sagte Benito.
»Und nach Europa willst du
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